Ambulante Altenpflege - mit viel Herz

Senioren wollen daheim alt werden, auch wenn sie Pflege brauchen. Für sie ist ein ambulanter Pflegedienst ideal.
Christian Pfaffinger |
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Auch Schriftkram muss natürlich sein: Pflegerin Edina Ahmatovic mit Patient Richard Thaller.
Katharina Alt 3 Auch Schriftkram muss natürlich sein: Pflegerin Edina Ahmatovic mit Patient Richard Thaller.
Pflegerin Edina Ahmatovic mit Patientin Ingrid Bunzel bei der Nagelpflege.
Katharina Alt 3 Pflegerin Edina Ahmatovic mit Patientin Ingrid Bunzel bei der Nagelpflege.
Pflegerin Edina Ahmatovic vor dem Computer: Büroarbeit gehört nämlich auch dazu.
Katharina Alt 3 Pflegerin Edina Ahmatovic vor dem Computer: Büroarbeit gehört nämlich auch dazu.

Eingepackt in einen blauen Schutzanzug aus Plastik steht Edina Ahmatovic am Bettrand. In ihrer Hand hält sie einen rosa Einmalrasierer. Sie singt ein Lied auf Kroatisch. Der Mann vor ihr gluckst, dann brummt er die Melodie mit. „Das macht dir Spaß, mein Lieber“, sagt Edina Ahmatovic und lacht.

Die Uhr tickt

Dann setzt sie die Klinge an seinen Hals und beginnt zu rasieren. Die Uhr tickt. 20 Minuten darf sie brauchen, zum Waschen, Zähneputzen, Rasieren, Aufbetten und Anziehen. Den Schutzanzug muss sie tragen, weil der Mann mit einem gefährlichen Keim infiziert ist. Er ist gelähmt und braucht Pflege, dafür wird Edina Ahmatovic bezahlt. Nicht fürs Singen.

Doch die 33-Jährige weiß, dass Pflege viel mehr ist, als die Leistungen, die auf dem Papier stehen. Es geht um Zuneigung, um Vertrauen und eine menschliche Beziehung. Und das alles unter Zeitdruck.

Viele wollen daheim  alt werden

Edina Ahmatovic ist eine ambulante Pflegerin. Sie arbeitet nicht in einem Heim, sondern fährt zu den Pflegebedürftigen nach Hause. Viele wollen daheim alt werden, doch oft sind Angehörige mit der Versorgung überfordert. Edina Ahmatovic kümmert sich beim privaten Dienst „Astra Ambulante Pflege“ um diese Menschen und besucht sie in deren Wohnungen.

Die ambulante Pflege ist auch für die Pflegekräfte anders als die stationäre Betreuung: Sie sind nach einem genauen Zeitplan unterwegs. Sich mehr Zeit für eine Person zu nehmen, heißt auch, zu spät zur nächsten zu kommen. Und trotzdem gelingt es Pflegerinnen wie Edina Ahmatovic, auch für die Pflegebedürftigen da zu sein.

Um halb sieben geht's los

Die Frühschicht beginnt für Edina Ahmatovic um halb sieben. In der Geschäftsstelle des Pflegedienstes in Moosach holt sie den Terminplan und Artzney für diesen Tag ab. 14 Besuche stehen auf ihrer Liste. Gegen zehn vor sieben kommt sie zur ersten Wohnung. Sie sperrt auf und geht ins Wohnzimmer.

Ednina kennt die Familienverhältnisse

„Guten Morgen, meine Liebe“, ruft sie. „Wie geht es Ihnen heute?“ Sie legt ihren Arm um die alte Frau, die sie schon seit einem Jahr pflegt. Langsam weist sie die Frau ins Bad, zieht sie aus, hilft ihr auf den Duschstuhl und wäscht sie. „Wie geht es Ihrem Schwager?“, fragt sie nebenher. Edina Ahmatovic kennt die Familienverhältnisse der Frau und weiß, was sie beschäftigt.

Auch die Marke des Duschgels ist wichtig

Sie kennt die Biografie der Menschen, die sie pflegt: Wer sich sonst noch um sie kümmert, worauf man sie besser nicht anspricht, welches Duschgel sie mögen. „Das ist sehr wichtig“, sagt sie 20Minuten später im Auto auf dem Weg zum nächsten Termin. „Jeder ist anders, und deshalb muss man auch jeden anders pflegen.“ Sie hat Erfahrung, seit 13 Jahren arbeitet sie in der Pflege.

"Daheim sind die Leute glücklicher"

Edina Ahmatovic stammt aus Kroatien, dort hat sie sich zur Krankenschwester ausbilden lassen. In Deutschland hat sie sich dann zur Altenpflegerin weitergebildet und zehn Jahre in einem Heim in Moosach gearbeitet, acht Jahre davon als Pflegeleiterin. Vor drei Jahren kam sie in die ambulante Pflege zu Astra. „Weil es so schön ist, die Leute daheim zu pflegen“, sagt sie. „Dort sind sie glücklicher, und das macht auch die Arbeit schöner.“

Jeder kriegt mal einen Korb

Einige Termine später ist sie bei einem jungen Mann, der seit seiner Geburt behindert ist. Sie richtet ihm ein Frühstück her, dann duscht sie ihn. Die beiden kennen sich bereits länger. Im Bad erzählt er ihr von seiner Angst, eine Frau anzusprechen, von Flirt-Versuchen im Internet und von Enttäuschungen. Edina Ahmatovic tröstet ihn. „Jeder kriegt einmal einen Korb, aber schau, du bist so ein toller junger Mann.“ Nach einer Weile geht es dem Mann besser.

75 Mitarbeiter für 200 Senioren

Edina Ahmatovic hat jetzt etwas Verspätung auf ihrer Tour. Sie muss weiter. „Unsere Mitarbeiter sind in einer schwierigen Situation“, sagt Manfred Anton, der Chef von Astra. „In der ambulanten Pflege bekommt jeder, was er bestellt hat. Für mehr bleibt kaum Zeit, auch wenn die Mitarbeiter das wollten.“ Astra ist mit vier Standorten in München ein großer Dienst. 75 Mitarbeiter kümmern sich um gut 200 Pflegebedürftige. Sie machen vor allem die Grundpflege sowie medizinische und Haushaltsdienste. Für andere Leistungen – wie etwa einen Menüservice oder Logopädie – empfiehlt Astra geeignete Anbieter.

Verdienst? Bis zu 2600 Euro

Verdient ein Pfleger bei einem Privatdienst weniger als etwa bei einem Wohlfahrtsverband? Nein, sagt Manfred Anton. Zwischen 2400 und 2600 Euro gebe es für eine Fachkraft. Edina Ahmatovic verdient etwas mehr, weil sie den Dienst an einem Standort stellvertretend leitet. Es ist Mittag, ihre Tour zu Ende.

Sie war bei einem Professor für Quantenphysik und hat dessen Wunden versorgt, hat in der zugemüllten Wohnung eines Arbeitslosen die Tablettenbox hervorgewühlt und aufgefüllt und einen pensionierten Kripo-Beamten ein bisschen geschimpft, weil er sein Mittagessen ständig stehen lässt. Sie war bei Ingrid Bunzel, hat ihr zum Geburtstag gratuliert und Insulin gespritzt, dann ist sie zu Richard Thaller gefahren, der zu seinen Tabletten auch ein paar Scherze und ein herzhaftes Lachen bekommt.

Auch Singen ist Pflege

Und sie war zweimal bei dem Mann aus Kroatien, mit dem sie singt, weil auch Singen Pflege ist.

 

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