Am Montag: Urteil gegen die Schweizer Schläger

MÜNCHEN - Nach rund neun Monaten geht der nicht öffentlich geführte Prozess vor der Jugendkammer zu Ende. Den drei Schülern drohen lange Haftstrafen
Drei Schweizer Schüler prügeln am Sendlinger Tor wahllos auf Passanten ein. Seit neun Monaten stehen die Schläger vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft fordert neun, sieben und sechs Jahre Gefängnis für sie. Am Montag wird Richter Reinhold Baier das Urteil fällen.
Lange hatten die Angeklagten vor der Jugendkammer des Landgerichts München geschwiegen. Erst vor einem Monat bröckelte die Mauer des Schweigens: Nach einem spektakulären Anwaltswechsel, verbunden mit einer neuen Verteidigungsstrategie, packte einer der Schläger aus. Daraufhin legte auch der zweite Angeklagte ein Geständnis ab. Der dritte Jugendliche hat die Chance auf ein milderes Urteil nicht genutzt.
Die Anklage gegen die zum Tatzeitpunkt 16-jährigen Jugendlichen lautet auf gefährliche Körperverletzung und versuchten Mord. Sie sollen in der Nacht zum 1. Juli 2009 während einer Klassenfahrt fünf Menschen in der Münchner Innenstadt mit Schlägen und Tritten teils lebensgefährlich verletzt zu haben.
Die Opfer der Übergriffe wurden teils mehrfach gegen den Kopf getreten; ein Mann wurde dadurch im Gesicht entstellt. Die Staatsanwaltschaft sprach von einem „Amoklauf ohne Waffen“.
Die Ermittler bezeichnen den Fall als „noch alarmierender“ als den Fall der Münchner U-Bahn-Schläger Ende Dezember 2007. Damals hatten zwei junge Männer einen pensionierten Schullehrer in der U-Bahnstation Arabellapark wegen dessen Hinweises auf das Rauchverbot fast tot geschlagen. Die beiden Männer wurden damals zu achteinhalb und zwölf Jahren Haft verurteilt. Ralph Hub, jot
DER TATORT
Den Ermittlungen zufolge trafen die drei Schüler zunächst amNußbaumpark auf drei Männer, von denen einer behindert war. Ohne jegliche Vorwarnung griffen zwei Täter die Opfer an. Die Schüler prügelten laut Anklage „mit äußerster Wucht“ auf ihre Opfer ein. Danach entfernten sich die Jugendlichen in Richtung Sendlinger-Tor-Platz.
Dort begegneten sie einem 46-Jährigen, den wiederum zwei Schüler traktierten. Schließlich griffen die Schüler an der Sonnenstraße noch einen zufällig anwesenden Studenten an. Sie ließen erst vomOpfer ab, als Zeugen um Hilfe riefen.
DIE OPFER
Wolfgang O. wurde am schwersten verletzt. Der 46-Jährige aus Ratingen war an jenem Abend auf dem Rückweg von einem Geschäftsessen, als er den Schülern zufällig über den Weg lief. Sie schlugen und traten ihm ins Gesicht.
Wolfgang O. kam auf die Intensivstation der Nussbaumklinik: Schädel-Hirn-Trauma, multiple Brüche. „Der untere Teil des Schädels war vom oberen Teil ganz abgetrennt“, heißt es im medizinischen Gutachten. Bis heute hat der Mann Probleme beim Sprechen und Sehen. Ob Wolfgang O. jemals wieder ganz gesund wird, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen.
DER RICHTER
Richter Reinhold Baier zählt zu den erfahrensten Richtern am Landgericht München. Er hat das Verfahren gegen die beiden Jugendlichen geleitet, die den Manager Dominik Brunner im Herbst 2009 am S-Bahnhof in Solln tot prügelten: Haupttäter Markus S. (19) bekam wegenMordes neun Jahre und zehn Monate Jugendhaft, Sebastian L. wegen Körperverletzung mit Todesfolge sieben Jahre.
Auch die beiden Männer, die den Lehrer Bruno N. in der U-Bahnstation Arabellapark fast tot schlugen, wurden von Richter Baier verurteilt: Serkan A. (21) bekam zwölf Jahre, Spyridon L. (18) achteinhalb Jahre Haft.
DER VERTEIDIGER
Steffen Ufer hat in dem Prozess gegen die drei Schläger aus der Schweiz eine bemerkenswerte Wende geschafft. Nachdem er die Verteidigung übernommen hatte, machten zwei der Angeklagten nachmonatelangem Schweigen Aussagen.
Es sei ein völliger Unsinn gewesen, dass die drei Jugendlichen von ihren Anwälten zum Schweigen verdonnert wurden, sagte Ufer zur AZ. So gehe man in einem Mafia-Prozess vor. Hier sei es darum gegangen, dass die jugendlichen Angeklagten Einsicht zeigen, ihre Tat bereuen. Nur so seien sie in der Lage, das Gericht zu überzeugen.