Altersamut: In Bayern ein Massenphänomen
MÜNCHEN "Die Ergebnisse sind alarmierend.“ So kommentiert Matthias Jena, Vorsitzender des DGB Bayern, die hauseigene Studie „Arbeitsqualität und Rente in Bayern“. Die Zahlen geben ihm dabei völlig Recht – leider: Die Renten in Bayern sind niedriger als im Bundesdurchschnitt. Und: Ausgerechnet in Bayern sind prozentual gesehen die meisten ab 65 von Altersarmut bedroht. Die AZ listet die Zahlen auf und erklärt, warum im Vorzeige-Land Bayern die Arbeitnehmer besorgt in die Zukunft blicken müssen.
Wer ist in Bayern armutsgefährdet? Als armutsgefährdet gelten diejenigen, die mit weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung auskommen müssen. Nach dem EU-Standard bedeutet das für einen Ein-Personen-Haushalt weniger als 892 Euro netto im Monat. Und in Bayern, das wirtschaftlich an der Spitze steht, sind ziemlich viele davon betroffen. Allein bei den ab 65-Jährigen sind 21,3 Prozent armutsgefährdet. Das ist der höchste Wert in ganz Deutschland! Und in der gesamten bayerischen Bevölkerung leben 14,3 Prozent nahe am Armutsrisiko.
Wie sieht es mit der Alterssicherung in Bayern aus? Sowohl bei den Bestandsrenten, das heißt bei den bereits ausgezahlten Altersbezügen, als auch bei den Neurenten (also bei denen, die 2012 in Ruhestand gingen), liegen die Rentenzahlbeträge unter dem bundesweiten Durchschnitt (s. Grafik, bei den Rentenzahlbeträgen sind Kranken- und Pflegeversicherung schon abgezogen). Bei den Neurenten bekommen die Männer in Bayern im Durchschnitt 941 Euro, die Frauen 516 Euro. Der deutsche Durchschnittsrentner bekommt 960 Euro beziehungsweise 556 Euro.
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Und auch die Zukunft sieht nicht besser aus. Der DGB prognostiziert, dass künftig jeder fünfte vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer in Bayern mindestens 47 Jahre arbeiten muss, um eine Rente knapp oberhalb der Grundsicherung zu bekommen. Wann gehen die Bayern in Rente? Mit 67 in Rente – da liegen die Bayern weit drunter. 2012 sind die Männer und Frauen im Freistaat im Schnitt mit 63,9 Jahren in den Ruhestand gegangen. Noch größer sind die Versorgungslücken bei denjenigen, die aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig Rente beziehen: In Bayern ist der Durchschnitt gerade einmal 51 Jahre alt.
Warum sind so viele Arbeitnehmer von Altersarmut in Bayern bedroht? Hier kommen mehrere Faktoren zusammen. Zum einen arbeiten im Freistaat fast 700000 Menschen laut DGB auf Niedriglohn-Basis, also für weniger als 1890 Euro im Monat. Und wer bereits zu Beschäftigungszeiten nicht viel Geld hat, der ist auch im Ruhestand gefährdet. Der bayerische Wohlstand kommt einem immer kleineren Teil zu Gute. „Das Problem ist die Verteilung der wirtschaftlichen Leistungen“, so Jena. Zum anderen haben die Frauen in Bayern, wie auch in den anderen westdeutschen Bundesländern im Vergleich zum Osten, früher weniger gearbeitet. Hinzu kommt, dass Bayern jahrzehntelang eher ein Agrar- als ein Industrieland war. In der Industrie wird im Vergleich zur Landwirtschaft mehr gezahlt.
Wie sehen bayerische Beschäftigte ihre Zukunft? Nicht gerade positiv. Laut der DGB-Studie rechnen über 80 Prozent damit, dass ihre Rente später einmal „gerade so“ oder auch „gar nicht“ zum Leben ausreichen wird. Gerade einmal 17 Prozent Prozent sind sich sicher, dass sie mit dem Ruhegeld in der Zukunft gut über die Runden kommen werden. Was sind die Gründe für die Skepsis? Noch nicht einmal die Hälfte der knapp 650 Befragten (42 Prozent) geht davon aus, dass sie ihren derzeitigen Beruf bis ins Rentenalter uneingeschränkt ausüben können. 45 Prozent glauben, dass das nicht möglich sein wird. Besonders Arbeitnehmer, die körperlich schwer ran müssen, unter großem Druck stehen oder unter schlechten Bedingungen arbeiten, sehen weniger Chancen, bis zum gesetzlichen Renteneintrittsalter arbeiten zu können.
Was fordert der DGB? Neben Verbesserungen in der betrieblichen Gesundheits- und Arbeitspolitik fordert der Gewerkschaftsbund auch die Verstärkung der betrieblichen Rente. Die geplante Rentenpolitik der Großen Koalition unterstützt der DGB, nicht jedoch das Sinken des Rentenniveaus auf 43 Prozent. Jena: „Dann wird Altersarmut zum Massenphänomen.“
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