Alter Zacherlbräu: Baustopp für Paulaner?

München - Auf dem alten Brauereigelände an der Ohlmüllerstraße sind die Bauarbeiten in vollem Gange. Schwertransporter liefern tonnenweise Material heran, in der riesigen Baugrube fahren Baufahrzeuge umher, mitten in dem mehrere Etagen tiefen Loch steht ein giftgrüner Kran.
Bereits in einem halben Jahr, wenn Oberbürgermeister Dieter Reiter die diesjährige Wiesn eröffnet, soll der Rohbau für das neue Verwaltungsgebäude von Paulaner stehen. Ein reichliches Jahr später sollen rund 350 Verwaltungsmitarbeiter hier einziehen, sobald die Großbrauerei mit Logistik und Gärtanks in den Neubau nach Langwied umgezogen ist.
Doch wenn es nach den Mitgliedern des fraktionsübergreifenden Wissenschaftsausschusses im Landtag ginge, müsste die Arbeit auf der Baustelle sofort eingestellt werden. „Normalerweise müsste die Stadt einen Baustopp aussprechen“, meint der Landtagsabgeordnete Robert Brannekämper (CSU), der als Berichterstatter im Ausschuss sitzt.
„Es ist schon erstaunlich, dass die Stadt auf unser Votum – und hinter uns stehen immerhin 13 Millionen Bürger – überhaupt nicht reagiert“, sagte Michael Piazolo von den Freien Wählern.
Hintergrund: Anfang Dezember hat der Ausschuss eine Petition einstimmig angenommen und befürwortet, die beinhaltet, dass bei der Neugestaltung des Paulaner-Areals das Gebäude des teilweise denkmalgeschützten Zacherlbräus in der ursprünglichen Gestalt zu erhalten sei. Doch von dem klassizistischen Bau von 1822, der seit 1945 leer stand, steht fast nichts mehr. Die Abrissbirne hat längst Fakten geschaffen.
Am Rand der riesigen Baugrube stehen noch zwei einzelne Fassadenteile mit der Torhalle, sie müssen von allen Seiten abgestützt werden, sonst würden sie umfallen. Unterirdisch ist außerdem ein Kellergewölbe erhalten geblieben.
Das Satteldach ist vor mehr als einem Jahr komplett verschwunden. Die beiden noch stehenden Fassadenteile sollen nun – wie von Lokalbaukommission genehmigt und vom Landesamt für Denkmalpflege abgesegnet – in einen Neubau mit vielen Fenstern und einem Flachdach integriert werden (siehe unten).
Die Mitglieder des Wissenschaftsausschusses Michael Piazolo, Robert Brannekämper und Oliver Jörg (beide CSU) sowie Isabell Zacharias (SPD) luden die Presse gestern zur Baustelle ein, um vor Ort ihren Unmut zum Ausdruck zu bringen.
Ihre Verärgerung richtet sich nicht gegen die Brauerei, sondern gegen die Münchner Stadtbaurätin Elisabeth Merk. Denn obwohl der Petitionsausschuss einen einstimmigen Beschluss gefasst hat, habe Stadtbaurätin Gabriele Merk darauf nur mit „Ignoranz“ reagiert.
Erkämpft hatte die Petition der Grafikdesigner Harald Lukas. Der Freiberufler lebt seit 20 Jahren in der Au und hat die Planungen von Anfang an verfolgt. „Ich hätte mir gewünscht, dass mit der historischen Bausubstanz behutsamer umgegangen wird. Im Architekturwettbewerb gab es verschiedene Vorschläge, die das historische Äußere des Zacherlbräus bewahrt hätten. Leider hat keiner dieser Vorschläge gewonnen.“
Zwei Jahre lang schrieb der Grafikdesigner immer wieder an die Stadt. Schließlich wandte er sich an den Petitionsausschuss – und diesmal hatte er Erfolg.
Der preisgekrönte Wettbewerbsentwurf, der jetzt realisiert wird, war nicht nur bei ihm, sondern bei vielen Bürgern auf Ablehnung gestoßen. In einer Bürgerversammlung des Stadtbezirks Au-Haidhausen hatte sich 2013 eine deutliche Mehrheit von 200 Stimmberechtigten für den Erhalt der alten Bauform ausgesprochen. Im April 2014 wurde der Empfehlung der Bürgerversammlung nicht entsprochen.
Stadtbaurätin Elisabeth Merk beantragte damals, dass der Zacherlbräu aus dem Planungsverfahren herausgenommen wird, um das Verfahren zu beschleunigen. Genau dies werfen die Mitglieder des Petitionsausschusses der Stadtbaurätin nun vor. „Da wurde getrickst“, sagt der Landtagsabgeordnete Robert Brannekämper.
Elisabeth Merk wies gestern die Vorwürfe entschieden zurück. „Hier wird so getan, als würde es sich um ein Einzeldenkmal halten. Für einen Baustopp gibt es keine rechtliche Grundlage“, sagte sie der AZ. „Aber ich prüfe es gern noch einmal.“ Die Brauerei reagierte gestern völlig überrascht: „Die Teile, die unter Denkmalschutz stehen, werden auch für die Zukunft erhalten bleiben“, sagte Paulaner-Sprecher Volkhard Rüdiger zur AZ. Sprecherin Birgit Zacher ergänzt: „Dass der Neubau nicht jedem gefällt, ist klar. Über Geschmack lässt sich immer streiten.“