Altenpflege: So viel kostet sie in München

2.800 Euro müssen Münchner im Schnitt für ein Platz im Altenheim aufbringen. Viele sparen deshalb an allen Ecken und Enden- oder müssen aufs Amt.
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Ein Wohnheim der Münchenstift. Auch hier sind die Plätze ausgelastet. Menschen mit besonderen Bedürfnissen müssen warten.
Ein Wohnheim der Münchenstift. Auch hier sind die Plätze ausgelastet. Menschen mit besonderen Bedürfnissen müssen warten. © Peter Kneffel/dpa

München - "Ich will meinen Enkeln nicht zur Last fallen" - das sei ein Satz, den sie oft höre, sagt Gabriele Stark-Angermeier. Sie ist bei der Caritas für die Altenhilfe zuständig und beobachtet in letzter Zeit immer häufiger, dass sich die Bewohner der Altenheime in München mehr und mehr einschränken. "Dabei ist das eine Generation, die durch den Krieg ohnehin eine Bescheidenheit gelernt hat."

Senioren sparen bei der Lebensqualität

Doch um bei ihren Familien nicht um Geld für den Heimplatz bitten zu müssen, sparen die Senioren bei vielem, was Lebensqualität ausmacht, so schildert es die Sozialpädagogin: beim Friseur, in der Cafeteria. Stark-Angermeier fordert deshalb: "Der Staat muss mehr von den Kosten übernehmen."

Knapp 2.800 Euro für ein Einzelzimmer in München

Auch das Sozialreferat beobachtet, dass die Kosten für die Heimplätze in München immer weiter steigen und, dass sich die Menschen diese immer weniger leisten können: Laut neusten Berechnungen, die sich auf das Jahr 2020 beziehen, zahlen Münchner Senioren im Schnitt für ein Einzelzimmer 2.800 Euro pro Monat. 2018 lag der Eigenanteil im Einzelzimmer noch bei rund 2.500 Euro.

Doch selbst im reichen München können immer weniger Menschen das aus eigener Tasche bezahlen: Der Anteil derer, die zur Finanzierung eines Platzes auf Sozialhilfe angewiesen waren, liegt laut Sozialreferat bei 36,3 Prozent. "Pflege wird so zum Armutsrisiko", sagt die Münchner Sozialreferentin Dorothee Schiwy (SPD). Sie fordert deshalb eine Pflegevollversicherung.

Auslastung der Einrichtungen liegt bei 94,3 Prozent

Gleichzeitig sind die Heime praktisch voll. Wie die Stadt in ihrem Marktbericht zur Pflege schreibt, liegt die Auslastung bei 94,3 Prozent. Wenn es einem egal ist, in welchen Stadtteil man untergebracht wird und ob man in ein Doppelzimmer einziehen muss, könne man trotzdem noch am selben Tag einen Heimplatz finden, sagt Siegfried Benker, der Geschäftsführer der Münchenstift.

Menschen mit besonderen Bedürfnissen häufig alleingelassen 

Doch wer hingegen besondere Bedürfnisse hat, weil er schwer dementiell erkrankt ist und eigentlich in einem geschlossenen Bereich untergebracht werden sollte, muss manchmal bis zu zwei Wochen warten.

"Das ist dramatisch", sagt Benker. "In Familien führt das zu unwürdigen Situationen." Er weiß von Angehörigen, die die Betroffenen einsperren oder in eine Psychiatrie einweisen. Laut dem Marktbericht zur Pflege der Stadt gibt es in München 1.141 gerontopsychiatrische Plätze. Benkers Einschätzung nach bräuchte es doppelt so viele.

Personalmangel bei ambulanten Pflegediensten

Problematisch ist die Situation außerdem bei den ambulanten Pflegediensten. Das Sozialreferat warnt, dass die "Versorgungssicherheit mittelfristig gefährdet" sein könnte. Ein Grund dafür ist der Personalmangel: Allein für die bestehenden Kunden fehlen laut Sozialreferat 117 Pflegefachkräfte und 61,5 Pflegehilfskräfte. Dazu kommen weitere 106 Stellen in der Pflege, die die ambulanten Pflegedienste über das Jahr 2020 für längere Zeit nicht besetzen konnten, schreibt das Sozialreferat in seinen Unterlagen.

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Auch Gabriele Stark-Angermeier von der Caritas sagt, dass sie in der ambulanten Pflege bis zu 15 Mitarbeiter mehr gut gebrauchen könnte. "Wer in München einen Pflegedienst sucht, muss sicher mehrere Telefonate führen", sagt sie. Gleichzeitig sind auch in der Langzeitpflege nicht alle Ausbildungsplätze besetzt: Von 734 Ausbildungsplätzen in stationären Einrichtungen waren Ende 2020 mehr als ein Viertel nicht besetzt.

Münchenstift ist gut besetzt

Bei der Münchenstift sei das anders, sagt Geschäftsführer Benker. Für die 100 Ausbildungsplätze bekomme seine Einrichtung fast jedes Jahr um die 500 Bewerbungen - allerdings nicht aus München. Mindestens 80 Prozent kommen für die Ausbildung nach Deutschland, so Benker.

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8 Kommentare
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  • Giesing am 14.10.2021 20:58 Uhr / Bewertung:

    Es ist schon ein Trauerspiel, wenn Menschen, die ihr Leben lang gearbeitet haben am Ende doch auf Sozialhilfe angewiesen sind.
    Die Preise sind hoch, jedoch sind es die Kosten leider auch. Baulich werden hohe Ansprüche (u.a. Brandschutz) gestellt und die Personalkosten steigen jährlich. Mittlerweile verdient man in dem Beruf auch nicht mehr schlecht (was ich ja gut finde). Aber die Kosten müssen wieder auch auf die Preise umgelegt werden. Der einzige Ausweg wäre, wenn die Pflegeversicherung mehr übernehmen würde, jedoch steigen dann die Beiträge oder der Staat müsste zuzahlen...

  • 1Muenchner am 14.10.2021 19:59 Uhr / Bewertung:

    Erfreulich, dass die Autorin dieses echte Problem gefunden hat. In der Tat werden eine alternde Gesellschft mit weniger jungen aktiven Arbeitskräften neben der Bezahlung ein Spannungsfeld bleiben. Es müssen dringend zeitnah Lösungen diskutiert werden.

  • Geh Recht am 14.10.2021 19:59 Uhr / Bewertung:

    Ein verpflichtendes soziales Jahr für alle Schulabgänger würde wahrscheinlich vieles entzerren und den Horizont vieler junger Menschen für die Notwendigkeit solcher Berufe, und wie eine Gesellschaft funktioniert, öffnen. Damit ließen sich sicher auch viele Stellen besetzen…

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