Alten-Anwalt Fussek fordert: Schließt dieses Pflegeheim

Im Seniorenheim Pasing-Westkreuz sollen schockierende Zustände herrschen. Die städtische Aufsichtsbehörde hat gravierende Mängel festgestellt. Pflege-Experte Claus Fussek fordert sogar die Schließung des Heims.
von  Abendzeitung
Claus Fussek
Claus Fussek © Martha Schlüter

MÜNCHEN - Im Seniorenheim Pasing-Westkreuz sollen schockierende Zustände herrschen. Die städtische Aufsichtsbehörde hat gravierende Mängel festgestellt. Pflege-Experte Claus Fussek fordert sogar die Schließung des Heims.

„Ich hatte es so satt, mich 20 Mal am Tag vor den Bewohnern zu schämen“, sagt Antonia R. (Name geändert) und ihre Stimme bebt. Jahrelang arbeitete die Altenpflegerin im Seniorenheim Pasing- Westkreuz. Jahrelang akzeptierte sie die Zustände in dem Haus. Bis sie nicht mehr konnte. Jetzt will sie ihr Schweigen brechen. Sie will erzählen, wie die alten Menschen dort behandelt werden. Endstation Altenheim.

„Die hygienische Situation ist erschreckend“, schildert Antonia R. „Die Zimmer sind furchtbar verschmutzt.“ Genauso Rollstühle und Betten. Bewohner mit infektiösen Erkrankungen hätten weiter engen Kontakt zu immungeschwächten alten Menschen.

„Zuhause in besten Händen"

Mehr als 300 Menschen sind im Seniorenheim Pasing- Westkreuz untergebracht. Träger der Einrichtung ist das Bayerische Rote Kreuz, das mit dem Slogan „Zuhause in besten Händen“ für das Heim wirbt. In besten Händen? Auf Anfrage der AZ machte selbst die Heimaufsicht keinen Hehl aus ihren Zweifeln: „Wir sind an dieser Einrichtung so intensiv dran, wie derzeit an keiner anderen in München!“

In einer Nacht im vergangenen September habe es eine große Nachschau in dem Heim gegeben. Das Resultat: „Wir haben zum Teil gravierende Mängel festgestellt, auch Fälle von gefährlicher Pflege!“, sagt Sebastian Groth von der städtischen Aufsichtsbehörde.

Aufnahmestopp musste verhängt werden

Die Missstände waren so dramatisch, dass die Heimaufsicht zu einem seltenen Mittel griff: Ein Aufnahmestopp wurde verhängt. Drei Monate lang durfte das Heim keine neuen Bewohner aufnehmen. Es gab sogar Beschäftigungsverbote für einige Pflegekräfte. In der Folgezeit hat die Heimaufsicht die Einrichtung in der Aubing Straße intensiv beraten. „Es hat sich schon etwas verbessert“, so Groth. Bei der letzten Kontrolle im Februar sei die Pflege nicht gut gewesen, aber wenigstens nicht mehr gefährlich.

Pflegeexperte Claus Fussek kennt die Zustände seit Jahren: „Selbst hochrangige Vertreter beim Roten Kreuz sprechen unter der Hand von einem Sorgenkind. Wie lange soll das noch so weiter gehen?“ Er ist überzeugt: „Es wäre richtig, das Heim zu schließen.“

„Wir sind doch kein Hurenhaus hier"

Mindestens sollte eine Station geschlossen werden – um ein Signal zu setzen. „Aus der Sicht der Pflegebedürftigen und engagierten Pflegekräfte ist die Situation unerträglich!“ Auch Antonia R. hat gelitten. Ihr sei insbesondere der „rüde Umgangston“ an die Substanz gegangen, sagt die Altenpflegerin. „Wir sind doch kein Hurenhaus hier!“, soll eine Pflegekraft zum Beispiel dazwischen gefahren sein, als eine ältere Dame sich mit einem Bewohner einfach nur unterhalten wollte.

Wie in vielen Heimen stünde das Personal unter starkem Zeitdruck. „Das Essen muss zackzack gehen, am besten in fünf Minuten. Wer länger braucht, bekommt Ärger.“

Schmutzig und übel riechend

Schockierend ist auch der Bericht einer ehemaligen Mitarbeiterin aus dem Krankenhaus Pasing. Sie schildert, in welchem Zustand Bewohner aus dem Seniorenheim eingeliefert wurden: „Viele der Patienten haben aufgeriebene rote Leisten. Diese entstehen, wenn die Harninkontinenzhose gewechselt wird, ohne den Intimbereich zu reinigen und abzutrocknen.“

Die Menschen seien schmutzig gewesen und hätten übel gerochen. In dem Heim versteht man die Kritik nicht: „Ich kann mir die Vorwürfe nicht erklären“, sagt Leiterin Ines Nöbel. Sie verliert kein Wort darüber, dass die Heimaufsicht erst im September „gravierende Mängel“ feststellte und beruft sich nur auf die jüngsten Kontrollergebnisse: „Es wurden von der Heimaufsicht positive Veränderungen bestätigt, in einigen Bereichen wurde uns sogar bestätigt, dass keinerlei Verbesserungspotential besteht.“

Personal von Zeitarbeitsfirmen

Gertrud A. (Name geändert) sieht das völlig anders. „Ich bin dermaßen wütend“, sagt sie. Die Frau besucht seit zehn Jahren eine Angehörige in dem Heim. Diese leide besonders unter dem ständig wechselnden Personal von Zeitarbeitsfirmen. „Jeden Tag macht jemand anderes die Pflege – auch die Intimpflege. Dabei sind die alten Leute so gschamig.“ Ihre Angehörige beiße und trete, wenn ein Fremder sie waschen wolle. Sie bezahlt für ihren Heimplatz 3700 Euro im Monat.

Julia Lenders

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