Alltagsrassismus in München: "Soll ich die Haare blond färben?"
München - Dedis (31) und Eva (36) haben sich vor etwa einem halben Jahr bei einem beruflichen Termin kennengelernt. Schnell fand das Paar zusammen. Die Österreicherin Eva Hofer, eine Marketing-Expertin, wohnt in der Steiermark und Dedis Mbeka-Male, von seinem dritten Lebensjahr an lange Zeit Freisinger, lebt bei Pfaffenhofen.
Der gelernte Restaurantfachmann und Betriebswirt ist selbstständig sowie festangestellt. Weil das Paar nach vielen Monaten Fernbeziehung die müßige Pendelei beenden wollte, suchte es seit Wochen eine Wohnung im Münchner Osten. Mbeka-Male bekam bei zehn Anfragen keine einzige Antwort. Hofer hatte nach ihren Bewerbungen ein paar Besichtigungsangebote. Und da war sie plötzlich, die passende Wohnung: zwei Zimmer, Küche, Bad, Garage inklusive - auch noch bezahlbar. Als sie sich um die Wohnung bemühten, begann für die beiden jedoch eine Achterbahnfahrt.
Eva Hofer besichtigt Wohnung alleine
Eva Hofer reiste am Freitag, 12. November, aus der Steiermark an, um die Wohnung zu besichtigen. Dedis Mbeka-Male war beruflich verhindert. "Wegen der vielen Absagen hatte ich die Hoffnung schon ein wenig verloren", sagt er. Am Sonntag meldeten sich die Vermieter erneut bei Hofer. Sie solle bitte am Montag nochmal vorbeikommen, um Details zu besprechen und die Unterlagen einzureichen. Das Paar sei in der engeren Auswahl.

Die beiden stellten die Unterlagen zusammen: Schufa-Auskunft, Einkommensnachweise. Dedis Mbeka-Male konnte sich am Montag erneut nicht freinehmen. Hofer fuhr also alleine mit den Unterlagen zum Kaffeekränzchen mit dem Münchner Vermieter-Paar.
Vermieter bietet Wohnung an
"Der Vermieter hat beim Gespräch den Namen von Dedis thematisiert", sagt Eva Hofer. Dieser klinge wie der Name des berühmten französische Fußballers Kylian Mbappé. "Er wollte offenbar wissen, ob ich afrikanische Wurzeln habe", sagt Mbeka-Male. Hofer antwortete, dass der Name aus dem Kongo sei und Mbeka-Male seit Kindesbeinen in Deutschland lebe, berichtet sie. Das sei kein Problem, hätten die Vermieter auf ihre Nachfrage gesagt. "Wir haben ja ein wenig Menschenkenntnis und vertrauen ihnen." So erinnert sich Eva Hofer an das Gespräch. Auch daran, dass die Vermieter sagten: "Wir bieten Ihnen hiermit die Wohnung zur Miete an."
"Eva rief gleich an und sagte, dass ein Mietvertrag aufgesetzt wird", sagt Mbeka-Male. Voller Vorfreude habe er seinem jetzigen Vermieter erzählt, dass er bald ausziehe. "Der hat sich für mich auch gefreut." Doch schon am Dienstagmorgen kam eine überraschende Absagemail: "Meine Frau und ich haben uns entschieden, die Wohnung doch nicht an Sie und Ihren Freund zu vermieten." Hofer fragte nach den Gründen. "Sie befinden sich in einer Partner-Konstellation außerhalb der Norm", schrieb er.
Vermieter sei keinesfalls rassistisch
Und er habe zudem das Gefühl gehabt, Hofer versuche, bis kurz vor Vertragsabschluss ihren Partner zu verheimlichen. Er könne ihr nur raten, bei künftigen Bewerbungen transparenter zu sein, um mögliche Vorurteile abbauen zu können. Die AZ hat beim Vermieter nachgefragt, was er unter einer Beziehung "außerhalb der Norm" verstehe. Die Antwort macht ratlos. Er meine damit "eine Beziehung/Partnerschaft/Ehe, die in unserer Gesellschaft überwiegend oder teilweise als eher ungewöhnlich, nicht ganz üblich angesehen wird".
Auch er selbst habe jahrelang eine Beziehung "außerhalb der Norm" geführt, mit einer ausländischen Partnerin. Rassistisch sei er keinesfalls. Ob er dem Paar die Wohnung gegeben hätte, wenn Dedis Mbeka-Male Hans Maier heißen würde? Darauf wollte der Vermieter nicht mehr antworten.
Das Paar ist fassungslos, will aber nicht aufgeben. "Künftig werden wir auf jeden Fall beide zum Besichtigungstermin gehen", sagt Eva Hofer frustriert. "Es wirkt so, als ob Vorurteile und Ressentiments wesentlich stärker verankert sind, als ich das je vermutet hätte." Dedis Mbeka-Male bleibt optimistisch. Er scherzt: "Vielleicht hilft es ja, wenn ich mir die Haare blond färben lasse."
Alltagsrassismus in München: Das sagt der Mieterverein:
Grundsätzlich darf jeder Vermieter frei entscheiden, an wen die Wohnung vermietet wird, sagt Volker Rastätter, Geschäftsführer des Mietervereins München. Doch es komme regelmäßig zu Ausgrenzung. Grundsätzlich dürfen Vermieter nicht gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verstoßen. Im Falle von Dedis Mbeka-Male sehe der Mieterverein "eine rassistische Benachteiligung". Die Erwähnung von "kulturellen und sonstigen Vorbehalten" und einer "Partner-Konstellation außerhalb der Norm" deute stark auf ein rassistisches Stereotyp hin. Schließlich gebe es keine Norm für Partnerschaften. "Diese Benachteiligung ist nach §2 Abs. 1 Nr. 8 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes unzulässig", sagt Rastätter und: "Wir raten dem Betroffenen, rechtliche Schritte einzuleiten, damit er Schadenersatz bekommt." Eigentlich sei die mündliche Zusage bindend, falls in der Annonce wesentliche Details wie die Miethöhe enthalten seien. "Umentscheiden darf man sich dann nicht mehr."