Alltag im Glockenbachviertel: Zeiten ändern dich
Als ich vor 15 Jahren ins Glockenbachviertel gezogen bin und sonntagmorgens zum Bäcker spazierte (wo heute eine Hipster-Bar mit Winz-Hockern für nachhaltigen Bio-Fair-Trade-Kaffee ist), war das eher unspektakulär. Heute muss ich aufpassen, dass ich beim Öffnen der Haustüre keine Longdrink-Gläser, Bierflaschen und Piccolöchen umschmeiße oder zertrete, nicht auf (Z)erbrochenem (im besten Fall aus Glas) ausrutsche oder immer noch berauschten Partygängern in die tätowierten Arme laufe, die mich nach Feuer, Telefonnummer oder dem Weg "zum Mäggi" fragen.
Zeiten ändern sich. Und Zeiten ändern dich. Ich liebe es, in der Stadt zu wohnen, und finde einen gewissen Lärm sehr beruhigend. Dass es immer lauter, wilder, feuchtfröhlicher geworden ist, liegt nicht nur am Glockenbachviertel-Hype, Gentri- und Szenifizierung und dem Rauchverbot. Die Feierkultur ist anders. Heute ist es cool, mit einem Handbier durch die Straßen zu rennen, zu grölen, zu flirten, zu streiten, zu was-auch-immer.
Daheim bei Münchnern: So wohnen wir
Ab Donnerstag strömen die Massen in mein Viertel, die Höhe- und zwischenmenschlichen Tiefpunkte spielen sich vor allem Samstag ab. Was soll ich mich aufregen? Ich werfe weder mit rohen Eiern (wie Nachbarn drei Ecken weiter) noch habe ich ein Schild aufgehängt. Aber die Idee ist nett, hat Charme, nicht nur Zeigefinger.
Als mich kürzlich eine Freundin aus Waldtrudering besucht hat und wir nachmittags auf dem Balkon im Innenhof sitzen, sagt sie ein bisschen erschrocken: "Boah, ist das still hier in der Stadt. Gar kein Rasenmäher-Krach." Ja, diese Stille – und dazwischen das pralle Leben.
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