Allergieschock! Münchner muss 2455 Euro für Rettung zahlen

In Tirol, unweit der Grenze zu Bayern, wird der 31-jährige Jens L. gestochen – Allergieschock! Tiroler Retter fliegen ihn in die Klinik – die Krankenversicherung zahlt aber nur einen Teil.
von  Natalie Kettinger
Wenn der österreichische Heli kommt, kann die Hilfe teuer werden. (Symbolbild)
Wenn der österreichische Heli kommt, kann die Hilfe teuer werden. (Symbolbild) © dpa

In Tirol, unweit der Grenze zu Bayern, wird der 31-jährige Jens L. gestochen – Allergieschock! Tiroler Retter fliegen ihn in die Klinik – die Krankenversicherung zahlt aber nur einen Teil. 

Es sollte der schönste Tag im Leben seiner kleinen Schwester sein, doch für Jens L. endete er in einem Albtraum: Kurz vor der Trauung wird der Bruder der Braut von einer Biene gestochen und erleidet eine schwere allergische Reaktion. Nur der Zufall und ein Hubschrauberflug ins Krankenhaus retten ihm das Leben.

Kaum genesen, der nächste Schock: Der Helikopter-Betreiber berechnet 4335 Euro für den Einsatz – und L.s Krankenkasse erstattet nicht einmal die Hälfte davon. Weil die Feier auf der Bischoferalm in Tirol stattfand, 20 Kilometer von der Freistaat-Grenze entfernt.

Und weil der 31-Jährige von einem Austro-Unternehmen gerettet und in eine österreichische Klinik geflogen wurde. „Hätte ihn ein bayerischer Helikopter in ein bayerisches Krankenhaus gebracht, hätten wir die Kosten vollständig übernommen“, sagt Kathrin Heydebreck von der Techniker Krankenkasse (TK).

Ein Samstag im August: Nach und nach trifft die Hochzeitsgesellschaft auf der Bischoferalm bei Alpbach ein, alle fahren mit dem Auto direkt vor die Hütte. Die Familie wartet auf den Standesbeamten, sitzt in der Sonne und schießt Fotos. Für ein Erinnerungsbild legt Jens L. seinem Freund die Hand auf die Schulter.

Die Biene, die dort herumkrabbelt, bemerkt er erst, als sie ihn ins Handgelenk sticht. Sofort schwillt sein Arm an, dann sein Gesicht, er röchelt. „Innerhalb von drei Minuten habe ich ausgesehen wie ein Medizinball und keine Luft mehr bekommen“, erzählt der Altenpfleger. Er hat Glück: Seine Mutter ist auch auf Bienen allergisch und hat ihr Notfallset dabei. Sie gibt ihm Cortison, während die Wirtin den Notarzt ruft.

19 Minuten später landet der Rettungshelikopter, Jens L. wird mit Sauerstoff und Medikamenten versorgt und ins Klinikum Kufstein geflogen. „Hätte meine Mutter mir das Cortison nicht gegeben und wäre der Hubschrauber nicht so schnell gekommen, wäre ich gestorben“, sagt er.

Dass er auf Bienenstiche allergisch ist, wusste Jens L. vorher nicht. „Ich habe mal eine Ausbildung zum Gärtner gemacht, da bin ich häufig gestochen worden, und es ist nichts passiert.“

Jetzt hat der Wasserburger nicht nur einen Mordsrespekt vor Bienen – sondern auch eine Riesenwut auf seine Krankenkasse, die lediglich 1880 der 4335 Euro zahlt, die der Helikopter-Betreiber verlangt. „Da ich nicht auslandskrankenversichert bin“, sagt er – und ärgert sich: „Ich bin seit 15 Jahren berufstätig, habe immer eingezahlt, war nie krank und jetzt soll ich so viel selbst zahlen!“ Weil er das ad hoc nicht kann, muss Jens L. nun einen Kredit aufnehmen.

Was sagt TK-Sprecherin Kathrin Heydebreck dazu? „Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen die Kosten für die Flugrettung im Inland, sofern eine medizinische Leistung damit verbunden ist.“ Wäre Jens L. also auf einem bayerischen Berg gestochen und von Bayern versorgt worden, hätte er keine finanziellen Sorgen.

Jenseits der Grenze hat er Pech gehabt. „Da die Bergrettung in Österreich in der Regel keine Leistung der dortigen gesetzlichen Krankenversicherung ist, kann die Leistung nicht als Sachleistung über das dortige System zur Verfügung gestellt werden“, sagt Kathrin Heydebreck. Grundlage für diese Regelung ist eine EG-Verordnung.

Der Patient erhält eine Privatrechnung, die er bei der deutschen Kasse einreichen muss. „Für die Kostenübernahme werden die Flugminutenpreise am Wohnort des Versicherten angerechnet. Das ist auch in diesem Fall passiert.“ Die Flugminute kostet 45 Euro, macht bei 42 Minuten 1890 Euro, von denen die TK 10 Euro für die gesetzliche Zuzahlung abzieht. Jens L. bleibt auf 2455 Euro sitzen.

„Deswegen empfehlen wir immer, eine zusätzliche Auslandskrankenversicherung abzuschließen und dabei auf das Kleingedruckte zu achten“, sagt Heydebreck. „Auch und ganz besonders beim Wandern im bayerischen-österreichischen Grenzgebiet.“ Thomas Bucher vom DAV ergänzt: „Wichtig ist, dass die Bergungskosten bei Alpinunfällen übernommen werden.“ Schließlich führen etliche Wanderwege zwischen den Nachbarstaaten hin und her. Oft ist für den Sportler gar nicht erkennbar, auf wessen Territorium er sich gerade befindet.

Noch verwirrender für den Einzelnen: Wird im Grenzland ein Notruf abgesetzt, sprechen sich bayerische und Tiroler Helfer häufig ab. Wer einen Helikopter zur Verfügung hat, fliegt los. Sind es die Bayern, kostet die Rettung den verletzten deutschen Wanderer nichts. Geschieht der Unfall nur einen Meter jenseits der Grenze, und es landen die Österreicher, kann’s teuer werden.

 

 

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