Alleinerziehende auf dem Arbeitsmarkt: So kann's klappen

München - Beratung, Betreuung, Jobangebote und vor allem offene Ohren: Das alles gibt es bei der Alleinerziehenden-Messe am Mittwoch. Monika Stephan hat sie organisiert und mit der AZ über Wunschkonzerte, Teufelskreise und Teilzeit-Ausbildungen gesprochen.
AZ: Frau Stephan, wann werden Alleinerziehende gleiche Chancen am Arbeitsmarkt haben, wie alle anderen?
MONIKA STEPHAN: Oh. Das wäre jetzt das Wunschkonzert? Ich darf jetzt sagen, was wir brauchen, damit es mal so weit ist? Ich weiß nicht, ob wir da jemals bei 100 Prozent sein werden, habe aber die Hoffnung, dass sich einiges zum Besseren entwickelt. Wichtigste Voraussetzung ist: Die Rahmenbedingungen insgesamt müssen passen. Das fängt mit der Wohnsituation an, die häufig nach einer Trennung ein wichtiges Thema ist. Die Wohnsituation muss geregelt sein, bevor sich jemand beruflich auf den Weg machen kann.
Aber das reicht nicht.
Nein. Ganz klar wichtig ist auch das Thema Kinderbetreuung. Gerade in der Stadtgesellschaft. Insgesamt sind fast 20 Prozent der Münchner Haushalte mit Kindern Alleinerziehenden-Haushalte. 27.000 sind das.
Die 27.000 sind aber nicht alle arbeitslos.
Nein, Gott sei Dank! Arbeitssuchend ist davon ein Anteil unter 30 Prozent. Das ist aber auch schon sehr viel. Rund 7200 alleinerziehende Menschen bekommen Leistungen vom Jobcenter München.
Sie sagen "Menschen" und nicht "Frauen". Also sind auch Männer darunter.
Natürlich. 95 Prozent der bei uns betreuten Alleinerziehenden sind Frauen. Aber für Männer sind wir auch zuständig.
Haben die andere Probleme?
Zum Teil vielleicht insofern, dass es in München eine große Bandbreite von Beratungsstellen, Gruppen und Informationsangeboten gibt, die vor allem auf Frauen zugeschnitten sind. Die nehmen zwar auch Männer auf, aber ich denke, dass Männer die Inhalte oft nicht so ansprechen. Väter stehen manchmal vielleicht noch ein bisschen mehr alleine da.
Was ist das erste Problem, das Alleinerziehende schildern, wenn sie zu Ihnen ins Jobcenter kommen?
Das ist sehr differenziert. Unsere Klientel hat einen sehr unterschiedlichen Background und damit sehr unterschiedliche Bedürfnisse. Ein großer Anteil sind Frauen mit Migrationshintergrund. Die bringen eine große Bandbreite von Problemen mit: kein Schulabschluss, kein hier anerkannter Schulabschluss, mangelnde Sprachkenntnisse. Aber es kommen auch Akademiker und Akademikerinnen. Grundsätzlich gilt für alle, dass der berufliche Einstieg die beste Chance bieten würde, um mittelfristig unabhängig von staatlichen Leistungen zu werden.
Und ein Problem haben sie auch alle: dass Jobs und Kinder schwer zusammengehen.
Die Kinderbetreuung ist natürlich eine der Voraussetzungen, wenn jemand beruflich ankommen möchte. In München gibt es leider einfach nicht ausreichend Angebote, speziell in Randzeiten, abends und am Wochenende. Auf der anderen Seite gibt es Branchen, die händeringend Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen suchen: Einzelhandel, Gastronomie, Pflege. Das sind aber genau die Tätigkeiten mit Arbeitszeiten bis abends oder sogar mit Schichtdienst. Das ist dann extrem schwierig mit der alleinigen Verantwortung für Kinder, sofern man nicht Familie am Ort hat, was bei vielen in der Großstadt der Fall ist.
Ohne Job kein Kita-Platz.
Vorrang haben da ganz klar die, die einen Vollzeit-Arbeitsplatz haben. Wer keinen hat, fällt in der Notwendigkeit ein Stückchen nach unten. Da kann dann ein Teufelskreis entstehen, wenn der potenzielle Arbeitgeber danach fragt, ob die Kinderbetreuung gesichert ist.
"Ich würde Sie gern einstellen – aber sind Ihre Kinder betreut?"
Das darf er gar nicht, oder?!
Es kommt trotzdem vor, speziell bei Alleinerziehenden. Wir hören das tatsächlich ab und an: "Ich würde Sie gern einstellen, aber belegen Sie mir vorher, dass Ihre Kinder betreut sind". Die Bewerber stecken dann in der Zwickmühle. Sie müssen nicht antworten, wollen aber einen guten Eindruck machen. Auf der anderen Seite bräuchte man für die Kinderbetreuung eine Anstellung, um den Vorrang zu bekommen.
Wie hat sich die Situation der Alleinerziehenden entwickelt?
Etwa 14 Prozent aller unserer Leistungsbezieher sind Alleinerziehende, diese Zahl bleibt immer etwa stabil. Aber in absoluten Zahlen sind es weniger geworden.
Wie geht's denen, wenn sie einen Job bekommen?
Wir stellen durchaus fest, dass Alleinerziehende – wenn sie die entsprechende Unterstützung haben, wenn alles klappt, wenn vielleicht auch der Arbeitgeber ein Modell mit flexiblen Arbeitszeiten anbietet und Verständnis hat für spezielle Situationen – oft sogar motivierter und schneller integrierbar sind, als Menschen in Partnerschaften, die wir vermitteln. Alleinerziehende sind ja auch auf sich allein gestellt und deshalb oft wahre Organisationstalente.
Was gibt es konkret heute bei Ihnen auf der Messe?
Wir haben 32 Stände, ein Großteil davon ist belegt von Ausstellern aus den städtischen Beratungseinrichtungen: Kitas, Bezirkssozialarbeit, frühkindliche Gesundheitsförderung. Wir haben eine Schuldnerberatung, wir haben Gruppen, die Netzwerkarbeit anbieten. Es gibt Qualifizierungsangebote, Fort- und Weiterbildungsangebote, vom Jobcenter natürlich Beratungen für Geldleistungen und Berufsausbildungen. Wir stellen ein Projekt vor, an dem wir auch beteiligt sind: die Anerkennungsberatung. Es gibt einen Arbeitgeberservice des Jobcenters: Da sprechen wir mit Bewerbern darüber, was Arbeitgeber suchen. Denn wir betreuen auch Firmen und sprechen mit denen darüber, was sie suchen.
Apropos Arbeitgeber: Sind da heute auch welche da?
Wir haben Arbeitgeber gewinnen können, die Jobangebote vorstellen und Gespräche führen, vielleicht Interessierte vormerken oder zum Vorstellungsgespräch einladen.
Aus welchen Branchen kommen die?
Das sind in der Regel Zeitarbeitsfirmen – einfach deshalb, weil die ein sehr breites Angebot haben. Wir haben zum Beispiel eine Firma, die hochwertige Kantinen betreibt und Personal sucht. Das wäre eine Möglichkeit für Menschen, die gerne in der Gastro arbeiten würden, aber die Arbeitszeiten in einer Wirtschaft nicht stemmen könnten. Außerdem haben wir einen Anbieter für Pflegefach- und Hilfskräfte.
Machen Sie auch Werbung bei Arbeitgebern für Alleinerziehende?
Natürlich. Wir versuchen auch, Bereitschaft zu wecken dafür, dass sie familienfreundliche Arbeitszeiten anbieten. Oder eine Teilzeit-Ausbildung. Das kann man nämlich theoretisch bei jeder dualen Ausbildung. Das ist dann alles unterhalb von Vollzeit, also auch 28 Wochenstunden oder 30. Bei den Arbeitgebern sind da vielleicht noch etwas wenig Informationen da und etwas Vorsicht im Spiel. Da versuchen wir auch Brücken zu bauen.
Wichtigste Frage: Wenn Alleinerziehende zur Messe kommen wollen, aber niemanden haben, der Ihre Kinder betreut – haben Sie da was?
Wir haben eine Kinderbetreuung mit qualifiziertem Personal, Malsachen und verschiedenem Spielzeug für alle Altersgruppen. Wir haben schon erlebt, dass Kinder nicht mehr gehen wollten.
Alleinerziehenden-Messe, am Mittwoch von 9.30 bis 13 Uhr im Berufsinformationszentrum, Kapuzinerstraße 30
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