Allein an Weihnachten? So kommen Sie trotzdem schön durch die Feiertage

Dekorieren, Kochen oder sich einfach trauen und beim Nachbarn klingeln. Warum Sie an Heiligabend nicht einsam sein müssen – und wo Sie in München auf jeden Fall Gesellschaft finden.
Alexander Spöri
|
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Ein Mann schaut betrübt in die Ferne und isst am 24. Dezember allein zu Abend. Zu den Feiertagen hat er es sich trotzdem gemütlich gemacht und ein großes Essen aufgetischt.
Ein Mann schaut betrübt in die Ferne und isst am 24. Dezember allein zu Abend. Zu den Feiertagen hat er es sich trotzdem gemütlich gemacht und ein großes Essen aufgetischt. © Frame Stock Footages/imago

München - Schon vor der Zeitumstellung Ende Oktober, bevor der erste Schnee gefallen ist und als noch gar kein Glühwein auf den Christkindlmärkten geflossen ist, haben für Simone Sukstorf und ihr Team vom Verein "Freunde alter Menschen" die Vorbereitungen auf Weihnachten begonnen.

Gerade einmal sind die Temperaturen nach dem Sommer etwas gefallen, dann kamen schon die ersten Senioren auf sie zu: "Findet die Weihnachtsfeier auch dieses Jahr wieder statt?", fragten sie. "Natürlich", war die Antwort. Schließlich ist für die Älteren der 24. Dezember ein richtiges Highlight.

Eine besondere Weihnachtsfeier für Senioren, die Gesellschaft suchen

"Wir machen an den Feiertagen die Türen auf – und zwar für alle, die sich allein fühlen", sagt Sukstorf der AZ. Rund 900 Freiwillige engagieren sich mit ihr über das Jahr in fünf deutschen Metropolen. Einige von ihnen auch an Heiligabend in München. Das Ziel: Einsamkeit vor allem in Großstädten, wo viele die Nachbarn gar nicht kennen, zu bekämpfen.

Dabei vermittelt Sukstorf sogenannte Partnerschaften zwischen Jung und Alt. Menschen zwischen 20 und 40 Jahren treffen sich dann mit Senioren. "Die meisten Freiwilligen machen das, weil sie ihre eigenen Großeltern geschätzt haben und sie leider bereits verstorben sind", erzählt Sukstorf.

Ein Austausch auf Augenhöhe soll entstehen – zum Beispiel durch Treffen in den vier Wänden des Älteren, doch auch Kino- und Restaurantbesuche gibt es. Außerdem natürlich: das Weihnachtsfest. Sukstorf sieht die Partnerschaft als eine Art "Freundschaft", weniger als karitative Aufgabe. Es geht darum, etwas zurückzugeben.

101-Jährige: "Mein Gedächtnis muss sich weiter bewegen können"

So auch kommende Woche in München. Familiär soll die Atmosphäre an Heiligabend sein. Lieder werden angestimmt, es wird zusammen zu Abend gegessen, auch Geschenke gibt es.

Für Senioren, die nicht mehr so fit sind, ist es ein Tag, um aus dem Alltag auszubrechen. "Für sie kann die eigene Wohnung sonst zum Gefängnis werden", erzählt Sukstorf. Doch nur, weil Senioren sonst eingeschränkt sind, heißt das nicht, dass sie nicht mehr feiern können, weiß die Vereinssprecherin.

Das wurde Sukstorf spätestens im Gespräch mit einer 101-Jährigen klar. Die Worte der ältesten Seniorin, die noch immer an Weihnachten dabei ist, sind ihr im Gedächtnis geblieben. "Ich bin zwar nicht mehr die Fitteste, aber mein Kopf muss sich trotzdem weiter bewegen können", soll die Dame ihr erzählt haben.

Zwei Seniorinnen beim vom Verein "Freunde alter Menschen" organisierten Weihnachtsessen.
Zwei Seniorinnen beim vom Verein "Freunde alter Menschen" organisierten Weihnachtsessen. © privat

Genau damit das Gedächtnis älterer Menschen in Schwung bleibt, hofft Sukstorf, dass auch außerhalb ihres Vereins, die Gesellschaft Senioren grundsätzlich besser im Blick behält. "Unsere Zukunftsvision ist, dass es Vereine wie unseren eigentlich gar nicht mehr braucht", so ihr Traum.

Einsamkeit hat viele Gesichter: "Wenn sie chronisch wird, kann es zum Problem werden"

Doch die Realität sieht aktuell anders aus: Ein Viertel der über 18-Jährigen fühlt sich einsam. Das ist das Ergebnis des "Deutschland-Barometer-Depression 2023". Laut Matthias Reinhard von der Klinik für Psychiatrie und Psychologie der Ludwig-Maximilians-Universität München gibt es vor allem drei Risikogruppen für Einsamkeit.

Auf der einen Seite ältere, alleinstehende Menschen, deren Verwandtschaft weit entfernt lebt oder, die ihren Partner verloren haben. Es gebe jedoch ebenso junge Erwachsene, die sich von der Familie loslösen, in eine neue Stadt ziehen, kaum Anschluss finden. Unabhängig vom Alter erhöhen dabei Armut und ein schwacher Elternhaushalt das Risiko, allein zu sein.

"Einsamkeit ist per se keine Krankheit, sondern ein komplexer emotionaler Zustand, der uns mitteilen will, dass Menschen fehlen", sagt Reinhard der AZ. "Wenn es chronisch und zur Belastung wird, kann es zum Problem werden."

Warum es schwer ist, über den eigenen Schatten zu springen

Schließlich wirke sich der Zustand auf die Stimmung und körperliche Fitness aus. "Manche fangen wieder verstärkt an zu rauchen oder Alkohol zu trinken, um die Lücke zu füllen." Münden kann das in eine Schlaf- oder Angststörung und in einer Depression. "Es gibt auf jeden Fall Hypothesen, dass Einsamkeit auch unser Immunsystem schwächt."

Daher Reinhards gesellschaftlicher Appell: "Es ist sehr schwer, sich selbst einzugestehen, dass man einsam ist – deshalb müssen wir insgesamt als Gesellschaft hinschauen."

Wie zum Beispiel an Weihnachten. "Diese Tage sind sehr emotional aufgeladen", sagt Reinhard. Die Einsamkeit werde verstärkt -durch Werbeanzeigen, Soziale Medien, Filme. "Es gibt eine starke Erwartungshaltung, dass alles perfekt sein muss." Doch auch allein müssten die Festtage nicht ausfallen, so Reinhard. Auch so kann man es sich schönmachen.

Weihnachten ohne Gesellschaft: So klappt die Feier auch allein

"Man kann sich seine Wohnung schön dekorieren", sagt der LMU-Experte. Mit einer hellen Beleuchtung wirke man auch der dunklen, kalten Jahreszeit etwas entgegen.

Reinhards nächster Tipp: aufwendiger kochen. "Auch wenn ich das für mich allein mache und sich so ein Aufwand gar nicht lohnt", so der Experte. "Erst recht, weil ich allein bin, habe ich es verdient, dass ich mich gut um mich sorge."

Jetzt in den Tagen vor Weihnachten schlägt der Psychiater vor, Plätzchen zu backen. "Auch, wenn ich die nur für mich mache, kann ich mir erlauben, auch der Nachbarin welche vorbeizubringen", sagt Reinhard. Dadurch schaffe man viel Freude "und da kommt auch immer etwas zurück".

Statt distanziertes Verhalten: Einfach mal beim Nachbarn klingeln

Wenn einem ein Gesprächspartner fehlt, kann man außerdem zum Telefon greifen "oder mal nachdenken, bei wem man klingeln kann". Es gilt: Weniger "reserviert und distanziert" sein, nicht immer gleich Angst haben, sich aufzudrängen.

Obendrein sei das Kulturprogramm zwischen den Jahren zum Teil sehr umfangreich. Vor allem für junge Menschen, die sich ohne Probleme bewegen können, könnte das spannend sein. Zudem kann man auch über Soziale Medien neue Leute kennenlernen und sie später treffen. Dafür den inneren Antrieb zu finden, sei vielleicht nicht immer leicht, letztlich aber eine Bereicherung, so Reinhard.

Auch heuer lädt der Verein "Freunde alter Menschen" wieder an Heiligabend zur Feier in die Konrad-Celtis-Straße 30 ein. Jeder ist willkommen.

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.