Alle Antworten: so geht's mit Müller-Brot weiter

Nach der Insolvenz stehen Massen-Entlassungen bevor. Es gibt schwere Vorwürfe gegen die Firmenchefs und Besitzer: „Angestellte sollen für das Versagen des Managements büßen“
von  Thomas Gautier, Anne Kathrin Koophamel

MÜNCHEN/NEUFAHRN - Nach der Insolvenz von Müller-Brot trifft die geballte Wut die Geschäftsführer und Besitzer der Großbäckerei. Sie werden als „erbärmlich“ und „menschenverachtend“ beschimpft – gleichzeitig bangen Angestellte, Verkäufer und Pächter um ihre Existenz.

Am Freitag durchkämmten Lebensmittelkontrolleure die geschlossene Fabrik in Neufahrn. Das Urteil der Aufsicht: Noch immer zu dreckig, keine Genehmigung für die Weideraufnahme der Produktion! Hat Müller-Brot eine Zukunft?

Lesen Sie hier: Das haben die Lebensmittelkontrolleure vorgefunden

Alle Fragen und Antworten hier im Überblick:

 


 

Was wirft man den Müller-Brot-Chefs vor?

Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) unterstellt den Gesellschaftern Klaus-Dieter Ostendorf und Michael Phillips volle Absicht: „Warum ist die Kasse leer? Weil Müller Forderungen nicht begleichen kann“, sagt Mustafa Öz von der NGG zur AZ. „Das heißt: Die feinen Herrn Millionäre stellten kein Geld zur Verfügung. Dabei haben sie’s ja.“

Beide hätten die Insolvenz gar nicht verhindern wollen. „Sie haben den Laden gegen die Wand fahren lassen“ – mit dem Ziel, „sich mit einer Insolvenz der Mehrheit der Beschäftigten und der Schulden kostengünstig zu entledigen“, so Öz. Das sei „menschenverachtend und erbärmlich“.

Matthias Jena, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbunds Bayern, sagte, es sei „unerträglich, dass für dieses unfassbare Management-Versagen jetzt allein die Beschäftigten büßen sollen“.

 


 

Was sagen die Ex-Besitzer?

Die trugen am Freitag Hansi Müller, Sohn des Firmengründers Hans Müller, zu Grabe. Hansi Müller war an einer Nervenkrankheit gestorben. Hans Müller nannte die Verantwortlichen bei der Trauerfeier erzürnt „Wirtschaftsverbrecher“. Mehr dazu auf Seite 11.

 


 

Wie reagiert die Politik?

Neufahrns Bürgermeister Rainer Schneider rechnet mit Massen-Entlassungen bei Müller-Brot: „Einige hundert Mitarbeiter werden wohl freigestellt.“ Die Grünen im Landtag geben Ex-Gesundheitsminister Markus Söder (CSU, jetzt Finanzminister) eine Mitschuld an der Pleite: Söder trage die politische Verantwortung dafür, dass die Hygiene-Mängel „verschwiegen und vertuscht“ worden seien, sagt Landes-Chef Dieter Janecek.

Söder wusste seit 2010 von den Kontrollen, hatte aber geschwiegen. Das habe viel Vertrauen zerstört: „Jetzt stehen die Beschäftigten vor einem Scherbenhaufen.“

 


 

Wer zahlt die Löhne jetzt?

Die Agentur für Arbeit zahlt Insolvenzgeld für die letzten drei und die nächsten drei Monate

 


 

Wie geht’s weiter?

Die Zukunft von Müller-Brot hängt vom Urteil der Lebensmittelkontrolleure ab. Am Freitag ab 12 Uhr inspizierten 18 Spezialisten des Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL), des Landratsamts Freising und der Regierung von Oberbayern die 55000 Quadratmeter große Fabrik in Neufahrn. Sie prüften zwei Produktionshallen, Lagerräume, Waren-, Personal- und Lieferanteneingänge sowie Kistenwaschanlagen.

Die Aufsichtsbehörden lehnten die Wiederaufnahme der Produktion nach einem Rundgang ihrer Kontrolleure durch die Brotfabrik in Neufahrn am Freitag überraschend ab. "Mit diesem Ergebnis haben wir nicht gerechnet", sagte der vorläufige Insolvenzverwalter Hubert Ampferl und erklärte, die Kassen seien praktisch leer: "Wir verfügen über nahezu keinerlei Liquidität mehr.".

Lesen Sie hier alles zur Kontrolle vom Freitag

 


 

Was macht der Insolvenzverwalter?

Seit Donnerstag soll der Nürnberger Anwalt Hubert Ampferl Müller-Brot retten. Am Freitagmorgen war er mit einem Team aus 15 Juristen und Betriebwirten in der Zentrale in Neufahrn. Seine Ziele: Einen Sanierungsplan vorlegen und Großkunden wie Lidl und Aldi zurückgewinnen.

 


 

Wie sieht es mit den Jobs der Angestellten aus?

1050 Menschen sind bei Müller-Brot angestellt. Laut NGG-Vertreter Mustafa Öz verfügen alle über einen Tarifvertrag: „Es gibt meines Wissens nach keine Zeit- oder Leiharbeiter.“ Noch habe der Insolvenzverwalter keine Verhandlungen über einen Job-Abbau begonnen. „Das wird wohl nächste Woche passieren“, vermutet Öz. „Unser Hauptziel bleibt es, so viele Arbeitsplätze wie möglich zu erhalten.“

 


 

Was sagen die Pächter?

137 Franchise-Nehmer gibt es in München und Umland. Sie alle können nicht einfach so die Bäckerei wechseln. Läden, Waren und Einrichtung gehören Müller-Brot, die Kündigungsfrist beträgt drei Monate – viele bangen auch um Sicherheitsleistungen von bis zu 10000 Euro, die sie bei Geschäftseröffnung hinterlegen mussten. Ob sie die zurückbekommen, ist ungewiss. Am Samstag, 10 Uhr, treffen die Pächter in Neufahrn den Insolvenzverwalter. Bei Pächtern und Angestellten geht die Angst um.

 


 

Was sagt die Konkurrenz?

Die Hofpfisterei verzeichnet laut ihrem Sprecher „einen ganz leichten Anstieg bei der Kundenzahl“. Die Firma hatte zu Beginn des Skandals Müller-Brot mit Lieferungen ausgeholfen: „Es kam als Hilferuf über einen Schwelbrand an“, so der Sprecher. „Hätten wir gewusst, dass hinter dieser Lüge Hygieneprobleme stecken, hätten wir die Hilfsaktion sicher nicht gemacht." Die Rechnung sei noch immer nicht bezahlt. Bäcker-Innungschef Heinrich Traublinger war nicht zu erreichen.

 

 

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