Alkohol: Wie Familie suchtkrank macht
13. Suchtforum: Die Experten fordern, dass bei der Behandlung von Suchtkrankheiten die Familie viel stärker bei Prävention und Therapie einbezogen wird. Sucht-Experte: „Alkohol ist das Hauptproblem“.
München Die Zahlen sind erschreckend. 270000 Menschen in Bayern sind alkohol-, sogar 350000 medikamentenabhängig. 48000 Bayern sind abhängig von illegalen Drogen wie Kokain, Cannabis oder Amphetaminen.
Das Problem betrifft aber noch weit mehr Menschen als nur die Abhängigen selber. Denn ein Suchtkranker ist immer auch ein Stressfaktor für seine Familie. Und umgekehrt. Stress in der Familie ist einer der wichtigsten Faktoren, die zu Suchterkrankungen führen. Darin sind sich die Experten auf dem einig.
Felix Tretter, Chefarzt der Suchtabteilung der Isar-Amper-Klinik in Haar, illustriert das beim 13. Suchtforum im Schwabinger Kardinal-Wendel-Haus mit einem traurigen, aber typischen „Szenario mit drei Spielern“. Der Vater trinkt aus Frust über die ständigen Nörgeleien seiner Frau, die ärgert sich über den Alkoholkonsum ihres Mannes, kritisiert ihn weiter oder lässt sich Antidepressiva verschreiben, wird ihrerseits süchtig.
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Stress pur für alle Beteiligten. Und ein Teufelskreis, der sich quer durch alle Gesellschaftsschichten zieht. „Auch in ganz normalen Familien kommt Sucht vor“, erläutert Tretter. „Alkohol ist das Hauptproblem.“ Ein Erwachsener kann sich diesem Familienstress vielleicht durch eine Trennung entziehen. Ein fünfjähriges Kind kann das nicht. Es ist oft massiven Vernachlässigungen, Misshandlungen bis hin zum sexuellen Missbrauch durch seine suchtkranken Eltern ausgesetzt. Und damit später auch wieder anfälliger, selber süchtig zu werden.
Doch in unserem Gesundheitssystem bekommt die Erforschung solcher familiärer Hintergründe viel zu wenig Raum. Das Gespräch mit dem Patienten bekommen Ärzte nicht bezahlt. Stattdessen wird schnell zum Rezeptblock gegriffen.
Apotheker, Ärzte und Psychotherapeuten fordern daher, dass „familienbezogene Perspektiven und Interventionen im Vordergrund stehen müssen“. Nicht nur der einzelne Suchtkranke, sondern die ganze Familie muss in Prävention und Therapie eingebunden werden, sagt auch Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml.
Huml hatte noch eine gute Nachricht in petto: Die Zahl der jugendlichen Komasäufer hat abgenommen. Wenn auch nur sehr leicht von 5647 (2011) auf 5567 (2012).
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