Albtraum Wohnungssuche: „Vier Kinder? Nein danke“

MÜNCHEN - Wenn bei Vermietern Vierbeiner beliebter sind als vier Kinder: Was zwei Großfamilien bei ihrer mühsamen Wohnungssuche in München erleben.
Sie hat Ränder unter den Augen. Rica Shoshana (33) ist müde. Seit Wochen hat die alleinerziehende Mutter nichts anderes getan, als eine Wohnung zu suchen. Für sich und für ihre vier Kinder. Anrufe, Besichtigungen, Anrufe – doch vergeblich: „90 Prozent der Vermieter haben die Kinder gesehen und ihnen blieb die Luft weg.“
Was sie sich bei ihrer mühsamen Suche alles anhören musste, brachte Shoshana zur Verzweiflung. „Einige haben sogar gemeint, mit Tieren hätten sie keine Probleme. Die schämen sich nicht, zu sagen, Hunde seien besser als Kinder.“ Bei 150 Wohnungen probierte sie ihr Glück – und hörte 150 mal ein Nein.
Was Rica Shoshana gerade erleben muss, ist auch für andere Großfamilien in München ein wohl bekanntes Problem. „Ich höre häufiger Beschwerden über kinderfeindliche Vermieter“, bestätigt Beatrix Zurek vom Münchner Mieterverein. Hinzu kommt, dass Wohnungen mit vier oder mehr Zimmern einfach Mangelware sind. Und teuer.
300 Mitbewerber
Auch Lina M. (35) und ihr Mann können ein Lied davon singen: Sie suchen seit eineinhalb Jahren. Als sie in ihre 60-Quadratmeter-Wohnung nach Schwabing zogen, hatten sie nur ein Kind. Ein Geschwisterchen kam hinzu, doch auch zu viert fühlte sich die Familie noch wohl in ihrem Zuhause. Dann die dritte Schwangerschaft – die war nicht geplant. Und: Es wurden Zwillinge.
Intensiv fing die Familie an, eine neue Bleibe zu suchen. Lina M. rief bei hunderten Vermietern an. Die Reaktion war oft genug diesselbe: „Vier Kinder? Das geht auf gar keinen Fall.“ Beide Eltern sind berufstätig. Für ihr neues Heim, das mindestens 100 Quadratmeter haben müsste, könnten sie zwischen 1500 und 1700 Euro Warmmiete bezahlen. Trotzdem will es nicht klappen. „Wenn wir uns bewerben, bevorzugen die Vermieter Eltern mit zwei Kindern.“
Einmal besichtigte Familie M. eine Wohnung am Ackermannbogen, die das Wohnungsamt angeboten hatte. Außer ihnen habe es noch 300 (!) andere Bewerber gegeben, erzählt Lina M. Was sie besonders ärgert: „Familien werden an den Rand der Stadt gedrängt.“ In den attraktiven Vierteln sei kein Platz für sie. Dabei würden die M.s gerne in Schwabing bleiben – immerhin haben drei Kinder dort einen Krippenplatz. Während die Dauer-Suche anhält, schlafen Lina M. und ihr Mann im Wohnzimmer. Ihnen bleibt nichts, als zu warten.
Ein Wettlauf mit der Zeit
Für Rica Shoshana und ihre Kinder ist die Situation eine andere: Sie können nicht mehr warten. Sie brauchen sofort eine Wohnung. Am Mittwoch müssen sie raus aus dem Appartement, in dem sie derzeit untergebracht sind. Die Mutter hat keine Ahnung, wo sie mit ihren Kindern im Alter von zwei bis elf Jahren dann unterkommen soll.
Ihr Mann lebt in Israel, er kümmert sich nicht um den Nachwuchs. Shoshana ist auf staatliche Hilfe angewiesen. Bevor sie nach München kam, lebte die jüdische Familie in Weil bei Landsberg am Lech. Dort wollte die Mutter nicht bleiben: Sie hat keinen Führerschein. Auf dem Land musste sie alle Fahrten mit dem Taxi erledigen. Außerdem wünscht Shoshana sich, dass ihre Kinder in München eine jüdische Schule besuchen. Sie sind sogar schon angemeldet. Eine Bekannte aus der jüdischen Gemeinde stellte der Familie für einen Monat eine 40-Quadratmeter-Wohnung in München zur Verfügung. Von hier aus bemühte Shoshana sich mit aller Kraft um eine Bleibe. Jetzt ist der Monat vorbei – ohne, dass sie etwas Passendes gefunden hat.
„Solche Fälle stellen die Kinderfreundlichkeit unserer Stadt auf die Probe“, sagt CSU-Stadtrat Marian Offman. München scheint die Probe nicht zu bestehen: Der Familie Shoshana droht nun die Unterbringung in einer Notunterkunft.
Julia Lenders
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