Al-Gore-Show ein Flop: Früherer Abwasser-Chef linkt Stadt
MÜNCHEN - Skandal nach Großkongress der Wasserwirtschaft: München muss für ein Defizit von 600.000 Euro haften, obwohl die Stadt nicht der Veranstalter war – trotz Al Gore war die Veranstaltung ein finanzieller Flop. Was das Revisionsamt der Stadt alles herausfand.
Es sollte eine spektakuläre Show werden: Mit Al Gore, dem Klima-Guru, Friedensnobelpreisträger und Ex- US-Vizepräsidenten. Mit dem Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz – und dem damaligen Bundesumweltminister Sigmar Gabriel. Mit diesen Zugpferden lud die „Allianz der Öffentlichen Wasserwirtschaft“ 2008 zum Großkongress nach München ein. Als OB Ude seine Eröffnungsrede hielt, ahnte er nicht, dass die Veranstaltung die Stadt teuer zu stehen kommen würde – obwohl sie nicht der Veranstalter war.
Damals war Al Gores Kult-Film „Eine unbequeme Wahrheit“ überall im Gespräch. zu einer unbequemen Wahrheit wurde auch seine aberwitzig teure Stippvisite in München.
Eintrittskarten kosteten 2380 Euro
Offiziell hatte die Allianz der öffentlichen Wasserwirtschaft (AöW) zu einem zweitägigen Umweltkongress in die Alte Kongresshalle geladen. Am 11. September 2008 und am 17. Oktober (nur da mit Al Gore). Neben den Promis kamen die „international angesehensten Experten für die Fragen von Globalisierung und Ressourcen“, so die Mitteilung. Der Eintritt: 2380 Euro.
Die damals ein Jahr alte Organisation wollte mit diesem Paukenschlag bekannt werden. Doch mitten in der Wirtschaftskrise ging die Rechnung nicht auf: Es gab nur zwei Sponsoren, die Sachspenden brachten, und kein Geld. Obendrein sollen nur acht der rund 450 Teilnehmer den vollen Preis bezahlt haben.
Al Gore bekam für seine Rede rund 230000 Euro, dazu kamen „weitere Forderungen“ über 356000 Euro – wie Privatjet und Bodyguards für Al Gore, Honorare und Kongresskosten. Das macht fast 600000 Euro für eine überdimensionierte Veranstaltung.
Im Alleingang das Risiko nur auf die Stadt übertragen
Das könnte der Stadt München eigentlich egal sein. Das könnte „nur“ ein Problem der AöW sein, mit öffentlichen Geldern skandalös umzugehen. Aber: Der Organisator und damalige Vize-Präsident der AöW war damals einer der Chefs der Münchner Stadtentwässerung (MSE). Ohne Rücksprache mit Ude und der Baureferentin hatte er im Alleingang entschieden: Das finanzielle Risiko trägt allein die MSE, obwohl sie nicht der Veranstalter war und nie genannt wurde. Genau das ist der Knackpunkt. Deshalb sah sich die Stadt urplötzlich mit einem Defizit von fast 600000 Euro konfrontiert.
Den ersten Hinweis bekam OB Ude erst nach der Veranstaltung anonym, wie er auf Anfrage der AZ erklärte. „Dabei hatte ich ihn vor der Veranstaltung gefragt, wie man sich den teuren Al Gore leisten kann? Und er antwortete: Die AöW ist gut aufgestellt.“ Keiner habe geahnt, dass die Stadt daran beteiligt war. Als Ude nach der Hiobsbotschaft den Mitarbeiter ins Rathaus zitierte, gab der sich unschuldig: Es sei nach seinem Arbeitsvertrag sein gutes Recht, in solcher Höhe Aufträge zu vergeben. Ude meinte: Der dürfte das nicht.
Absolut verblüfft war Ude, als der Ex-MSE-Chef sagte: Das sei für Öffentlichkeitsarbeit gewesen. Dabei wurde die MSE nie erwähnt. Und was noch schlimmer ist: Al Gore ließ (wie immer) nach fünf Minuten alle Journalisten aus dem Saal räumen – weil er für 230000 Euro wohl immer die gleiche Geheim-Rede hält. So gab es statt Ruhm nur Ärger.
Ude: "Eine haarsträubende Kompetenzüberschreitung"
Ude schaltete wegen der „haarsträubenden Kompetenzüberschreitung“ das Revisionsamt ein. Der Ex-Abwasserchef nahm einen kundigen Anwalt: Otmar Bernhard – Ex-Umweltminister, Münchner CSU-Chef und einer der Kongress-Teilnehmer. Er habe das „sehr sachlich und konstruktiv“ bearbeitet, loben Beteiligte.
Da dem Mitarbeiter kein Vorsatz nachzuweisen war, nur Fahrlässigkeit, hat ihn die Stadt nicht verklagt. Nach harten Verhandlungen des Personalreferats wird das Defizit aufgeteilt. Es zahlen nach AZ-Informationen: Der Ex-Chef 80000 Euro, die Versicherungen 250000, die Eventagentur 80000, AöW 50000, die Stadt 92000 Euro, die Stadtentwässerung 45000. Zusammen: 597000 Euro.
Der Mann hat seit Juni einen neuen Posten in Norddeutschland, wo seine Frau und die fünf (teils kleinen) Kinder schon länger leben. Was sagt er der AZ zu der unbequemen Wahrheit? „Ich bin zur Verschwiegenheit verpflichtet, aber ich stehe zu meiner Verantwortung.“
Willi Bock
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