Airport-Express: In 23 Minuten zum Flughafen

Wirtschaftsminister Martin Zeil hat am Montag ein neues Gutachten vorgestellt: Eine Express-S-Bahn und Züge sollen Fluggäste in weniger als 30 Minuten zum Airport bringen - das Konzept hat aber einen entscheidenden Makel.
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Tod auf der S-Bahnstrecke
Petra Schramek Tod auf der S-Bahnstrecke

MÜNCHEN - Wirtschaftsminister Martin Zeil hat am Montag ein neues Gutachten vorgestellt: Eine Express-S-Bahn und Züge sollen Fluggäste in weniger als 30 Minuten zum Airport bringen - das Konzept hat aber einen entscheidenden Makel.

"Das ist kein Wolkenkuckucksheim“, beteuerte Wirtschaftminister Martin Zeil (FDP). Gerade hatte er ein brandneues Gutachten zur Anbindung des Münchner Flughafens vorgestellt. 1,4 Milliarden Euro soll es kosten, die Fahrzeit vom Hauptbahnhof zum Airport fast halbieren – auf 23 Minuten. Und dazu soll der „Ostkorridor“ auch gleich noch Bezirks- und Fernzüge direkt ins Erdinger Moos leiten. Klingt gut, ist dringend nötig. Aber es gibt einen dicken Pferdefuß: Möglich ist das alles nur, wenn auch die zweite S-Bahnstammstrecke gebaut wird. Und die ist längst noch nicht in trockenen Tüchern.

In jahrelanger Kleinarbeit hatten Verkehrs-Experten seit dem endgültigen Aus für den Transrapid alle Möglichkeiten abgewogen, wie der nur aus der Luft gut erreichbare Flughafen besser ins Schienennetz eingebunden werden kann. Vier Varianten schafften es in die Schlussrunde.

Deren eindeutiger Sieger hat neben den geringsten Kosten auch noch eine ganze Reihe weiterer Vorteile zu bieten. Der Entscheidende: In einem Aufwasch und als erster – rund 200 Millionen Euro teurer – Schritt könnte die lang geforderte Express-S-Bahn verwirklicht werden.

Und zwar auf der Trasse der Flughafen-S8, die OB Christian Ude und seine SPD-Rathausfraktion seit langem fordern. Der Aufwand wäre übersichtlich (viergleisiger Ausbau zwischen Zamdorf und Johanneskirchen), die Widerstände werden aber wohl beträchtlich. Denn der im Ude-Konzept für diesen Bereich vorgesehenen Tunnel ist im Gutachten nichts mehr zu finden. „Der Zug, den man nicht hört und nicht sieht, wird es auch in Zukunft nicht geben“, versetzt Minister Zeil in Richtung Rathaus. „Wer eine Luxuseinrichtung will, muss dafür zahlen – wie beim Autokauf.“

Sprich: Wenn die Stadtspitze unter die Erde gehen will, soll sie auch die Mittel dafür auftreiben. SPD-Fraktionschef Alexander Reissl zeigte gestern, dass er den Knackpunkt der neuen Pläne schnell erkannt hat: „Eine Untertunnelung zwischen Zamdorf und Johanneskirchen, wie im M-Express-Konzept vorgesehen, ist unbedingt vonnöten. Alles andere wäre ein Anachronismus.“ Den Anwohnern der S8-Trasse könne eine Verkehrsführung an der Oberfläche aus Lärmschutzgründen nicht zugemutet werden.

Diese Argumentation ist aus zweierlei Hinsicht verständlich. Zum einen ächzen die S8-Nachbarn im Münchner Osten schon jetzt unter Lärm und wegen Bahnschranken, die pro Stunde mehr als 30 Minuten dicht sind. Und: Ohne Tunnel hat auch ein städtisches Entwicklungsprogramm für etwa 10 000 Wohnungen und 4000 Arbeitsplätze in diesem Bereich keine Chancen.

Der Bau würde ungefähr zehn Jahre dauern

An Konflikt-Potenzial mangelt es also in Sachen Ostkorridor nicht. Das ist allen Beteiligten bewusst, aber sie verbreiten trotz allem professionellen Optimismus. Minister Zeil etwa spricht von „echten Quantensprüngen“ durch das 1,4 Milliarden-Projekt. Aber dabei hat er nicht den lästigen Tunnel-Kleinkram, sondern das große Ganze im Auge: Durch die so genannte Pasinger Spange sollen langfristig Schnellzüge aus Richtung Ulm/Augsburg zum Airport fahren. Durch die zweite Stammstrecke sollen verlängerte S-Bahnen aus Augsburg mitten in der Stadt (Marienhof) stoppen und dann zum Airport weiterrauschen, mit Stopps am Ostbahnhof und in Unterföhring oder Ismaning.

Parallel dazu soll mit dem „Erdinger Ringschluss“ der Fernverkehr aus Ost- und Südostbayern zum Flughafen gelotst werden. Zeils Vision: „Aus Regensburg umsteigefrei in etwa einer Stunde zum Flughafen.“ Und in letzter Konsequenz könnte auch die Magistrale Paris – München – Wien – Bratislava/Budapest Halt am Flughafen machen.

Klingt fast zu schön, um wahr zu sein. Flughafen-Chef Michael Kerkloh hat denn auch – trotz aller Freude über den Schritt nach vorne – den realistischen Blick für die zeitlichen Rahmenbedingungen nicht verloren: „Bei dem empfohlenen Konzept wird schon für den Ausbau der Strecke vom Ostbahnhof zum Flughafen eine erhebliche Realisierungszeit von mindestens zehn Jahren benötigt.“

Anders ausgedrückt: Ein Jahrzehnt lang bleibt der Airport noch ohne ausreichende Schienenanbindung. Mindestens.

Rudolph Huber

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