Aids: Ein Geheimnis, das nicht ausgesprochen wird

Isarvorstadt - Menschen, die HIV-positiv sind, wollen damit nicht in die Öffentlichkeit treten. Diese Erfahrung musste die Münchner Aids-Hilfe (mal wieder) machen, als sie zum 35-jährigen Bestehen eine Fotoausstellung mit jungen Positiven machen wollte.
HIV-Positive, die in Behandlung sind, sind nicht ansteckend
"Das Stigma, das HIV-Positiven anhaftet, herrscht in der Gesellschaft weiter", sagt Nico Erhardt von der Münchner Aids-Hilfe. Sein Kollege Bernd Müller erzählt von einem Münchner, der umziehen musste, nachdem seine Erkrankung öffentlich geworden war. Jemand hatte bei den Nachbarn Zettel verteilt, dass der Positive eine Gefahr für das Haus sei.

Dabei sind ein Großteil der HIV-Infizierten nicht ansteckend – nämlich jene, die in Behandlung sind. 88 Prozent der Infizierten wissen Schätzungen des Robert-Koch-Instituts zufolge von ihrer Krankheit.
93 Prozent davon sind in Behandlung und bei 95 Prozent ist das Virus im Blut nicht mehr nachweisbar und nicht mehr übertragbar. Doch: 10 bis 15 Prozent leiden an Begleiterkrankungen oder Nebenwirkungen der Therapie.
Viele Aids-Erkrankte kämpfen mit psychischen Problemen
Trotzdem haben 77 Prozent der Positiven – einer Umfrage der Deutschen Aids-Hilfe zufolge – schon Diskriminierung erlebt. In München melden sie das an die Aids-Hilfe. 13 solcher Fälle von der Arztpraxis, die einen HIV-Positiven nicht behandeln will über den Arbeitgeber, der Druck macht, sind im Jahr 2018 in München gemeldet worden. Doch Erhardt schätzt, dass sie nur etwa zehn Prozent der Fälle erfahren.
Viele Positive gehen zwar zum Arzt, setzten sich aber nicht damit auseinander, was eine chronische Erkrankung mit ihrer Psyche macht. "Für viele avanciert das zu einem Geheimnis, das nicht ausgesprochen werden darf. Das belastet auf lange Zeit, die Menschen werden depressiv", sagt Erhardt. Fast die Hälfte hat aufgrund der Infektion ein geringes Selbstwertgefühl.
Deshalb geht zum Welt-Aidstag am 1. Dezember die Webseite jungundpositiv.de online. Das niederschwellige Angebot ist vor allem an junge Menschen – aber nicht nur – gerichtet und eine Möglichkeit, sich zu informieren und junge Positive miteinander in Kontakt zu bringen.
Die Hälfte der HIV-Positiven aus Bayern lebt in München
In München haben sich im vergangenen Jahr 152 Menschen mit HIV infiziert. Etwa 10.000 Bayern leben mit der Diagnose, die Hälfte von ihnen in München. Und jedes Jahr infizieren sich weniger Menschen. Trotzdem sehen die Mitarbeiter und Ehrenamtler der Aids-Hilfe keinen Grund, die Hände in den Schoß zu legen.
Von den Anfängen als Selbsthilfe-Organisation in den 80ern über die politischen Kämpfe gegen Gauweilers Internierungspläne für Aidskranke bis heute, da Infizierte eine normale Lebenserwartung haben, haben sich die Aufgaben verändert und erweitert.
Der Verein qualifiziert Menschen – ob positiv oder nicht ist nicht ausschlaggebend – wieder für den Arbeitsmarkt, beschäftigt sie im hauseigenen Café Regenbogen oder im Tagungszentrum. An die Aids-Hilfe angegliedert ist auch Rosa Alter, eine Beratungsstelle für Senioren, außerdem die Trans*Inter*Beratungsstelle und ein betreutes Wohnen. Zudem kümmert sich die Aids-Hilfe um jene, die oft nicht wahrgenommen werden: Geflüchtete, Menschen im Gefängnis oder Drogenabhängige, die infiziert sind.
Die Ausstellung im Café Regenbogen kam dann doch zustande, hier berichten junge Menschen über ihre Erfahrungen mit Positiven.
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