Agfa-Hochhaus gesprengt
Fast 50 Jahre lang war das Hochhaus in Giesing ein markanter Punkt in Münchens Silhouette gewesen. Und es erinnerte an das deutsche Traditionsunternehmen Agfa. Seit zwölf Uhr mittags ist es Geschichte.
MÜNCHEN Sonntagmorgen auf dem Giesinger Berg – es wuselt wie in einem Ameisenhaufen. 15.000 Münchner pilgern zum Agfa-Hochhaus, um die Sprengung live mitzuerleben.
„Bitte recht freundlich“, ruft Brigitte März ihren Freunden zu, die vor dem Agfa- Turm posieren. Ein letztes Foto solange der 51-Meter-Koloss noch steht. Rundum herrscht Volksfeststimmung. Überall drängeln sich Leute mit Foto- und Videokameras.
Polizisten und Feuerwehrleute kontrollieren den Gefahrenbereich, gehen von Tür zu Tür. Nur bei einer Wohnung ist unklar, ob sie leer ist. Ein Mann vom Schlüsseldienst knackt das Schloss – die Mieter sind ausgeflogen.
Auf der Tegernseer Landstraße sind die besten Plätze inzwischen futsch. Ein Paar quetscht sich mit Mountainbikes durch die Massen. „Der Trubel ist uns zu lästig, wir radeln lieber zur Isar“, erzählen Robert und Evi Scholz und verschwinden in Richtung Grünwalder Stadion.
Das Gedränge wird immer schlimmer. Selbst auf dem Dach der Wienerwald- Filiale stehen inzwischen die Schaulustigen. Der Mittlere Ring ist gesperrt, trotzdem ertönt aus dem Candidtunnel plötzlich ein Martinshorn. Der Notarzt der Rineckerklinik saust um die Kurve. „Was wollt ihr denn hier?“, fragt ein Polizist. Es sind nur noch sieben Minuten bis zur Sprengung. Egal, der Notarzt muss durch.
Punkt 12 Uhr jault erneut eine Sirene, diesmal vom Agfa-Turm: einmal lang und zweimal kurz – die Spannung steigt, die Sprengung steht unmittelbar bevor. Doch es tut sich nichts. Zäh wie Sirup ziehen sich die Minuten.
Dann kracht es doch noch, 12.05 Uhr – der Turm zuckt, scheint der Explosion zu trotzen. Dann aber beginnt er sich einzudrehen. Der Gigant fällt, verschwindet in einer immer größer werdenden Staubwolke. Im Publikum brandet Beifall auf. „Wahnsinn, war das ein Knall“, schreien ein paar Kinder begeistert.
125 Kilo Sprengstoff haben ganze Arbeit geleistet. Sprengmeister Edi Reisch und sein Team begutachten ihr Werk – „alles ist wie am Schnürchen glatt gelaufen“, heißt es. Wenig später werden die Absperrungen aufgehoben. Ganz Giesing pilgert wie auf Kommando los zum Schuttberg, um sich die Überreste des Agfa-Turms aus der Nähe anzuschauen.
Ralph Hub
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