Ärztlicher Kunstfehler: Vater kämpft für toten Sohn

Nach einem Fehler bei einer Nasen-Operation wurde ein 41-jähriger Münchner zunächst zum Pflegefall, dann starb er unerwartet. Jetzt kämpft der Vater, der schon einmal einen schweren Schicksalsschlag hinnehmen musste, ums Geld.
Den 7. März 2002 wird Richard D. nie vergessen. „Das Krankenhaus rief an und sagte mir, dass am Tag vorher bei der OP etwas schief gelaufen war.“ Noch am selben Tag fand Richard D. (73) seinen Sohn Richard junior bewusstlos im Bett der Münchner Klinik vor. „Ich habe ihn kaum erkannt, wie er mit all den Schläuchen und den vielen Apparaten da lag.“
Sein Sohn, erfolgreicher Bau- und Projektleiter einer Heizungsbaufirma, hatte mitten im Leben gestanden. Dann diese Tragödie: „Du gehst ins Krankenhaus und kommst als Depperl wieder raus.“
Allergisch auf Schmerzmittel
Der Grund der Tragödie war ein ärztlicher Kunstfehler: Dem 41-Jährigen war während einer Nasennebenhöhlen-Operation das Schmerzmittel Novalgin gegeben worden, auf das der Asthma-Patient allergisch reagierte. Sein Gehirn bekam durch den so verursachten Bronchial- Krampf einige Minuten zuwenig Sauerstoff. Richard D. erlitt einen Hirnschaden.
Nach vier Jahren dann das unerwartete Ende. Bei einem Asthma-Anfall in der Nacht erstickte Richard D. junior im Heim. Für den ehemaligen Techniker Richard D. war das nach dem Krebstod seiner Frau im Jahre 1997 der nächste schwere Schicksalsschlag. Richard D. erinnert sich: Zwei Wochen nach der OP wurde sein Sohn – noch immer bewusstlos – in die Reha- Klinik nach Bad Aibling gebracht. Von Aufwachen konnte zwar noch keine Rede sein, aber immerhin zeigte der Junior dort nach einer Woche die ersten körperlichen Reaktionen. „Das war eine ganz schlimme Zeit“, erinnert sich sein Vater. „Ich habe oft feuchte Augen gekriegt.“ Sein Sohn konnte, als er allmählich wieder zu sich kam, nichts mehr. „Alles war weg. Seine Erinnerung funktionierte nicht mehr. Er musste alles neu lernen.“
Der 73-Jährige weiß noch, wie sein Sohn zum ersten Mal ein Wiener Schnitzel vorgesetzt bekam. „Er hat versucht, es mit dem Löffel zu essen.“ Dass der Behinderte in diesen Wochen und Monaten nach der OP wieder eine Beziehung zu seinem Vater aufbauen konnte, lag nicht daran, dass er sich erinnern konnte, sondern weil es der alte Mann jeden Tag auf sich nahm, von München nach Bad Aibling und später nach Bad Tölz zu fahren, um sich um seinen geistig behinderten Sohn zu kümmern.
In nächster Zeit hätte der Regierungsbezirk Oberbayern aufgehört, die Pflegekosten (4200 Euro im Monat) zu tragen. „Ich hätte ihn dann zu Hause pflegen müssen. Aber ich bin 73 Jahre alt. Lange hätte ich das nicht geschafft“, sagt Richard D. Auch um die Pflegekosten für seinen Sohn zu sichern, strengte er diesen Schmerzensgeld-Prozess gegen das Krankenhaus an – und gewann vor der 9. Zivilkammer des Landgerichts München. Mindestens 350 000 Euro hat sein Anwalt Werner Trauschel gefordert. Doch die Höhe des Schmerzensgeldes muss vom Gericht noch festgelegt werden.
Endlich Ruhe haben
Aber Richard D. ist nach sechs Jahren gerichtlicher Auseinandersetzungen mit Gutachten und Gegengutachten erschöpft. Er will ein Ende des Kampfes vor Gericht. So oder so. Aber er weiß, dass der Etappensieg am Landgericht noch nicht das letzte Wort ist. „Die werden Berufung einlegen.“ Und neue Gutachten verlangen. „Bei jedem neuen Brief von meinem Anwalt kommt das alles wieder hoch. Ich will endlich meine Ruhe haben.“
John Schneider