Ärztin übersieht Impfschaden: Münchner leidet

Er wollte sich gegen FSME impfen lassen. Nach der Spritze erleidet der 44-Jährige eine Entzündung des Rückenmarks – mit schlimmen Folgen bis heute.
John Schneider |
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Eine FSME-Impfung hatte für den Münchner Paul K. (Name geändert, kleines Bild)schwere gesundheitliche Folgen.
dpa/Feindt Eine FSME-Impfung hatte für den Münchner Paul K. (Name geändert, kleines Bild)schwere gesundheitliche Folgen.

Er wollte sich gegen FSME impfen lassen. Nach der Spritze erleidet der 44-Jährige eine Entzündung des Rückenmarks – mit schlimmen Folgen bis heute

München - „Nehmen sie ein bisschen Magnesium, dann wird das schon.“ Mit diesen Worten wurde Paul K. (Name geändert) von seiner Truderinger Ärztin beruhigt, nachdem er im Juli 2007 über ein starkes Brennen in seinen Füßen bei ihr geklagt hatte. Die Medizinerin habe ihn nur kurz angeschaut und dann eine fatale Fehldiagnose gestellt.

Der 44-jährige Münchner glaubte nach diesem Arztbesuch jedenfalls, seinen Südafrika-Urlaub antreten zu können. Das Dumme war nur: Paul K. litt nicht an Magnesiummangel, sondern an einer schweren zervikalen Myelitis (Schädigung der Nerven im Rückenmark durch eine Entzündung) – hervorgerufen von einer FSME-Impfung. Die hatte ihm dieselbe Ärztin zehn Tage zuvor verabreicht.

Die Krankheit brach in Südafrika aus. Zuerst kamen die Schmerzen: „Ich lag in meinem Hotelzimmer und es fühlte sich an, als hätte ich glühende Wattebäusche unter der Haut. Auf jedem Quadratzentimeter“, erinnert er sich.

Dann versagten ihm seine Beine teilweise sogar ganz den Dienst. Er und seine Frau brachen die Reise ab und flogen umgehend nach München zurück. Unter immensen Qualen. „Ich bin knapp dem Tod entkommen“, sagt Paul K. heute.

Im Rechts der Isar in Haidhausen wurde er aufgenommen. „Ich konnte damals nicht mehr laufen. Dank meines starken Willens, der Hingabe meiner Frau und der guten Behandlung und Pflege im Rechts der Isar ist es mir aber gelungen, die Fähigkeit zu gehen wieder zu erlangen.“ Seine Frau und seine kleine Tochter Louisa (damals 23 Wochen alt) geben ihm Kraft dazu.

Und immerhin: Der Rollstuhl blieb ihm erspart. Jetzt sieht man ihm seine Leiden kaum noch an.

Doch das ist nur das Äußerliche. Denn der anerkannte Impfschaden hat bei dem Münchner zu schweren Folgeschäden geführt. „Ich leide an sehr starken Schmerzen in den Beinen, sowie an einer Blasenentleerungsstörung. Um die Schmerzen auf einem einigermaßen erträglichen Niveau zu halten, nehme ich täglich zehn Tabletten, unter anderem ein hochpotentes Opiat.“

Der Schmerz ist unerträglich, kommt in Schüben und ohne Vorwarnung. Seine Frau und seine Freunde wissen das und nehmen Rücksicht. Fremde schauen schon mal verärgert, wenn der scheinbar fitte Mann mit seinem Schwerbehinderten-Ausweis einen Sitzplatz in der U-Bahn oder den Platz vorne in der Schlange einfordert.

Mehrmals täglich muss er sich einen Katheter selber setzen, weil sich die Blase nicht mehr entleert. Drei Blasenentzündungen waren 2011 die Folge. Paul K. kann nicht mehr Rad fahren, joggen oder Autos mit Kupplung fahren. Streckt er das Bein, kommt der Schmerz. Und er hat große Angst vor den Spätfolgen. Seine bange Frage: „Was machen all’ diese Medikamente mit mir?“

Seinen lukrativen Job als Kundenbetreuer einer großen Schädlingsbekämpfungsfirma ist er längst los. Jetzt arbeitet er frei. „Damit mir die Decke nicht auf den Kopf fällt. Und weil ich gerne arbeite.“

Eine Klage gegen die Ärztin hat er erwogen, aber nicht erhoben. Sein Anwalt riet ihm ab. „Er sagte, dass man zwar 70000 Euro erstreiten könnte, das Risiko zu verlieren und auf 35000 Euro Gerichts- und Anwaltskosten sitzen zu bleiben, sei aber hoch.“ Auch weil er keine Rechtsschutzversicherung hatte, ließ er es bleiben. Es blieb bei einem Schadenersatz der Versicherung von 3500 Euro. Damit kaufte man ihm das Recht zu klagen ab.

Warum er sich impfen lassen wollte? „Jahr für Jahr habe ich in den Medien von der Wichtigkeit einer FSME-Impfung auch im Raum München gehört.“ Das sei auch in Ordnung. Er hätte sich auch impfen lassen, wenn er die Risiken besser erklärt bekommen hätte. Denn ein solcher Impfschaden ist selten, sehr selten.

Was ihn am Verhalten seiner Ärztin stört, ist nicht die Impfung, sondern die Nachlässigkeit, mit der sie ihn später untersucht habe. Die Expertin hätte seine Symptome mit der Impfung zehn Tage zuvor in Verbindung bringen können, ja müssen, findet er.

Einmal hat er sie noch wieder gesehen. Zufällig. Im Einkaufszentrum. „Ich habe überlegt, ob ich hingehe und sie anschreie oder einfach weggehe. Ich habe mich für die zweite Variante entscheiden.“

Als Selbstschutz. Die Aufregung hätte wohl nur wieder zu einem Schmerzschub geführt.

 

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