Ärztepfusch? Herzstillstand nach Schmerzmittel
München - Sie kommt heute zu Fuß nur noch 700 Meter weit, dann wird Lehrerin Ute S. (62) müde und muss sich erst einmal hinsetzen: „Ich habe Schwierigkeiten mit der Motorik. Den Haushalt schaffe ich nicht mehr allein.“ Schuld ist eine Novalgin-Allergie.
Das Schmerzmittel wurde ihr versehentlich während eines Klinikaufenthalts 2006 verabreicht. Es kam zum Herzstillstand mit den gesundheitlich schlimmen Folgen. Die behandelnden Ärzte wussten nicht, dass sie an dieser Allergie leidet. Den Hinweis auf die lebensbedrohliche Krankheit in der Patienten-Dokumentation soll eine Münchner Klinik vergessen haben.
In dem Krankenhaus wurde Ute S. 2005 behandelt. Sie hatte ein kaputtes Schultergelenk. Gegen die Schmerzen wurden ihr damals Novalgin-Tropfen verabreicht. In ihrem Krankenzimmer kam es zum Kreislaufzusammenbruch. Ihr Anwalt Manuel Soukrup, ein Spezialist für Medizinrecht, behauptet: „Allergien müssen dokumentiert werden, damit der Hausarzt oder andere Ärzte nachlesen können, was der Patient überhaupt verträgt.“ Die Klinik-Juristen hatten den Prozess bereits in erster Instanz vor dem Münchner Landgericht gewonnen. Der Grund: Es konnte nicht festgestellt werden, ob Ute S. bei ihrem Klinikaufenthalt wirklich an einer Novalgin-Allergie zusammengebrochen ist.
Vorsichtshalber habe man damals zwar in der Krankenhausakte rot vermerkt: Kein Novalgin. Aber ein Allergietest sei nie gemacht worden. Die juristischen Klinik-Vertreter sind ganz anderer Meinung: Ute S. sei damals alkoholkrank gewesen. Da könne es zum plötzlichen Kreislaufversagen kommen, wenn man während des Klinikaufenthaltes nichts mehr trinke.
Inzwischen rührt Ute S, kein Glas mehr an. Schwer habe sie nach dem Herzstillstand in den normalen Alltag zurückgefunden: „Ich lag über sechs Monate in der Klinik.“ Nach der Entlassung war sie zunächst auf einen Rollstuhl angewiesen. Mit einem Rollator kam sie schließlich wieder auf die Beine. „Ich bin immer bei einem Physiotherapeuten in Behandlungen.
Lange Strecken zu Fuß packe ich noch nicht“, sagt Ute S., die heute ihre Allergie in einem Behindertenausweis, den sie immer bei sich trägt, eingetragen hat. Im Prozess bestätigte ein Gutachter, dass ein Eintrag auf die Novalgin-Allergie in der Patienten-Dokumentation hätte erfolgen müssen: „Das ist ein grober Fehler, wenn der Arzt das nicht macht.“ Über die Höhe des Schmerzensgeldes wird erst nach der Schuldfrage verhandelt.
- Themen:
- Landgericht München