Ärztepfusch? Diese Familie hat alles verloren

Durch einen Behandlungsfehler im Jahr 2004 ist der kleine Constantin behindert. Seitdem kämpft seine Familie vor Gericht. Der Prozess hat die Familie in den Ruin getrieben.
München/Nürnberg - Zuerst ist es nur ein eher harmloser Infekt. Der zweijährige Constantin hat ihn sich bei einem Faschingsausflug zum Viktualienmarkt eingefangen. Doch kurz darauf ist das Kind fast tot. Sein Herz ist kaputt, sein Gehirn angegriffen, sein Körper von Bakterien durchsetzt.
Constantin ist heute zwölf Jahre alt, er hat überlebt. Aber er ist behindert und wird nie wieder gesund sein. Er hat eine Aufmerksamkeitsschwäche, ist schwerhörig, und lebt mit einer künstlichen Herzklappe. Täglich muss er Penicillin und Blutverdünner schlucken. Die vielen Medikamente zerstören seine Zähne und verursachen Ausschlag auf seinen Händen.
Schuld ist grober Ärztepfusch, sagen seine Eltern Cornelia S. und Günter L. Sie haben Constantin damals frühzeitig in ein Krankenhaus gebracht, die Cnopf’sche Kinderklinik in Nürnberg. Dort haben Ärzte dem Buben, der an einem bakteriellen Infekt litt, lange kein Antibiotikum gegeben. Zu lange, so dass Constantin an einer schweren Blutvergiftung fast gestorben wäre. Die Eltern ziehen vor Gericht, klagen gegen die Klinik und deren Chefarzt. „Wir können alles beweisen“, sagt Cornelia S., die unzählige Befunde und Dokumente gesammelt hat, aus denen die groben Behandlungsfehler hervorgehen.
Doch der Prozess will nicht enden. Seit zwei Jahren herrscht Stillstand. Die letzte Verhandlung war im April2012, der nächste Termin sollte im Mai 2013 sein. Er platzte, weil der Gutachter verhindert war. Auch den nächsten Termin, der für Oktober angesetzt war, sagte der Gutachter wegen Krankheit ab. Der nächste Prozesstermin ist nun auf März 2014 angesetzt. Wie sie bis dahin durchhalten soll – die Familie weiß es nicht. Der jahrelange Rechtsstreit und Constantins Versorgung haben die Eltern ihr ganzes Vermögen gekostet.
Zuerst verloren sie ihre Immobilien: eine Wohnung am Tegernsee, ein Haus in Lauf an der Pegnitz und Büroräume in Nürnberg. Dann lösten sich all ihre Rücklagen auf, als nächstes kamen Schulden. Sie haben Kredite bei der Bank aufgenommen und sich bei Verwandten Geld geliehen. Cornelia S. hat Familienerbstücke im Leihhaus verkauft.
Trotzdem fehlt das Geld zum täglichen Leben. „Wir können Arztrechnungen nicht bezahlen, hangeln uns von Rate zu Rate und der Schuldenzins wächst uns über den Kopf.“ Die Betreuung, die Constantin in der Schule braucht, können sie sich kaum leisten. Und das schlechte Gewissen gegenüber allen, von denen sich Cornelia S. Geld geliehen hat, wird ihr unerträglich.
Die beiden können ihre Schulden nicht hereinarbeiten. Cornelia S. ist selbstständige Architektin und Gutachterin, bekommt aber kaum noch Aufträge, seit der Prozess für Aufsehen sorgt. Günter L. ist in einer Metzgerei angestellt und stockt seinen Lohn auf. Viel kommt nicht zusammen. Die Familie wohnt derzeit bei der Mutter von Günter L. in einem kleinen Ort im Münchner Umland. „Wir sind nahe am Bankrott“, sagt Cornelia S. Dazu kommt die Angst, nicht durchhalten zu können. Die Versicherung der beklagten Klinik hält die Familie hin. Obwohl das Gericht in einer Verfügung bereits festgestellt hat, dass „grobe, das heißt nicht verständliche“ Fehler vorliegen, sollen weitere Fragen geklärt werden.
Auf Anfrage der AZ will sich der Träger der Klinik, die Diakonie Neuendettelsau, mit Hinweis auf das laufende Verfahren nicht äußern.
Vieles im Prozess erscheint fragwürdig: Stuhlproben werden erfunden, falsche Vorerkrankungen behauptet. Der entscheidende Gutachter und der beklagte Arzt kennen sich, waren zur gleichen Zeit an einer Klinik in Mannheim tätig. Und dass der beschuldigte Arzt zwei Tage vor dem nächsten Gerichtstermin auf einem aussichtsreichen Listenplatz der CSU für den Nürnberger Stadtrat kandidiert, kommt Cornelia S. seltsam vor. Doch sie will nicht aufgeben. „Es geht darum, wie das Leben meines Sohnes weitergeht“, sagt sie.
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