Interview

Ärger um Wahlkampf-Plakat: "Florian Post missbraucht die Regenbogenfahne"

Warum es die Grünen aufregt, dass die SPD mit der Regenbogenflagge Wahlkampf macht, erklärt Doris Wagner im Interview.
von  Christina Hertel
So sehen die Plakate aus, mit denen Florian Post wirbt.
So sehen die Plakate aus, mit denen Florian Post wirbt. © AZ

München - Die Regenbogenfahne steht für Toleranz und Akzeptanz, für die Vielfalt von Lebensformen, für Hoffnung und Sehnsucht. Seit den 70ern ist sie auch schwul-lesbisches Symbol. Doch dass nun ausgerechnet der SPD-Bundestagsabgeordnete Florian Post diese Farben nutzt, um im Münchner Norden Wahlkampf zu machen, sorgt gerade für Ärger.

Schließlich erklärte Post erst vor Kurzem in einer Kolumne, wie sehr Gendersternchen und "Tugendterror" die Gesellschaft spalten. Dass er trotzdem Regenbogenfahnen auf seine Plakate druckt, empört seine Konkurrentin um das Direktmandat, Doris Wagner von den Grünen, besonders. Im Interview erklärt sie, warum sie der Ansicht ist, dass Post das Symbol missbraucht und weshalb er in der SPD falsch ist.

AZ-Interview mit Doris Wagner. Seit 20 Jahren ist sie bei den Grünen, von 2013 bis 2017 im Bundestag, jetzt kandidiert sie wieder.
AZ-Interview mit Doris Wagner. Seit 20 Jahren ist sie bei den Grünen, von 2013 bis 2017 im Bundestag, jetzt kandidiert sie wieder. © ho

AZ: Im Münchner Norden sieht man zurzeit an vielen Ecken die Regenbogenfahne - auf Wahlplakaten Ihres Konkurrenten Florian Post von der SPD. Was stört Sie daran?
DORIS WAGNER: Mit der Regenbogenfahne habe ich natürlich kein Problem. Aber ich habe das Gefühl, dass Florian Post dieses Symbol missbraucht.

Doris Wagner über Florian Post: "Er verwechselt Widerspruch mit Zensur"

Warum?
In seinen Kolumnen und auf Social Media spricht Florian Post gleichzeitig von Gender-Gaga. Er macht sich über die Betroffenen lächerlich. Gleichzeitig fühlen sich Menschen darin bestärkt, dass es in Ordnung ist, zu diskriminieren. Schließlich hat Florian Post eine enorm große Reichweite.

Auf seinem Wahlplakat ist der Begriff "Cancel Culture" durchgestrichen. Haben Sie auf Anhieb verstanden, was das bedeutet?
Ehrlich gesagt musste ich das auch erstmal googeln. Es geht dabei nicht darum, Kommentare auf Sozialen Medien zu löschen, sondern es bedeutet, dass man aufgrund seiner Meinung ins Abseits gestellt wird. Aber davon kann bei Florian Post wirklich nicht die Rede sein. Er nutzt Twitter, hat eine eigene Kolumne. Herr Post verwechselt Widerspruch mit Zensur.

Wie sollte die SPD reagieren? Ist er als Kandidat noch tragbar?
Diese Frage muss die SPD selbst beantworten. Doch wenn ich seine Aussagen lese - zum Beispiel, dass jemand, der ein Haus in München besitzt, nicht reich ist oder dass zu viele Migranten am Odeonsplatz feiern - würde ich ihn nicht bei der SPD verorten.

"Auch im reichen München herrscht Armut"

Halten Sie Florian Post für gefährlich?
Gefährlich würde ich ihn nicht nennen. Aber es ist ausgesprochen populistisch, fischt an den Stammtischen, kritisiert viel, aber bietet keine Lösung. Ich versuche, das anders zu machen. Allerdings hat Florian Post eine deutlich größere Reichweite und ist viel bekannter. Deshalb bin ich seit Wochen draußen an Infoständen unterwegs.

Wie sehr stören die Leute, die Sie da treffen, Posts Plakate?
Im Moment beschweren sich darüber hauptsächlich Leute aus der queeren Community. Die Menschen in meinem Wahlkreis beschäftigt sicher anderes: Seit Corona herrscht eine große Verunsicherung. Viele haben Sorge, ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Auch im reichen München herrscht Armut. An der Münchner Freiheit gibt es eine Tafel, die Schlangen sind jeden Sonntag unendlich lang.

Was wollen Sie dagegen tun?
Im Bundestag habe ich mich schwerpunktmäßig um Verteidigungspolitik gekümmert. Aber weil ich aus einer Arbeiterfamilie komme, ist mir Chancengerechtigkeit auch wichtig. Zum Beispiel fordere ich eine Kindergrundsicherung und eine Absicherung während Studium und Ausbildung.

Würden Sie darüber noch mit Florian Post auf einem Podium diskutieren?
Ja, natürlich. Er ist schließlich ein demokratisch aufgestellter Kandidat.


Das sagt Florian Post zum Ärger um Regenbogen-Plakate

Die Empörung über seine Plakate kann Florian Post, der für die SPD bei der Bundestagswahl im Münchner Norden antritt, nicht nachvollziehen. Er ist davon überzeugt, dass die Menschen ihn bewusst falsch verstehen wollen, sagt er zur AZ. Denn die "Gender-Sprache" abzulehnen und trotzdem für Vielfalt und Toleranz zu sein, sei doch kein Widerspruch. Leute, wie seine Konkurrentin Doris Wagner (Grüne), würden sich selbst zum Anwalt von Minderheiten erklären, "ohne dass diese Minderheiten sie darum gebeten hätten", sagt Post.

Er ist davon überzeugt, dass in Deutschland ein kleiner Teil der Gesellschaft der Mehrheit vorschreibe, wie sie zu sprechen und sich zu verhalten habe. "Ich möchte mit meinem Plakat deutlich machen: Wer so alle abkanzeln will und zum Schweigen bringen möchte, die nicht seine Meinung teilen, steht nicht für die Vielfalt der Regenbogenfarben."

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.