Ärger um Schwimmunterricht im Südbad: "Hier geht es um Lebensrettung!"

München - Christine Ulrich und ihre Elternbeirats-Kolleginnen und -Kollegen sind sauer. Und vor allem sind sie in Sorge. Fast das ganze Schuljahr ist an der Grundschule ihrer Kinder, der Plinganserschule in Sendling, der Schwimmunterricht ausgefallen.
Der Hauptgrund dafür ist freilich die Pandemie: Homeschooling, Wechselunterricht und vor allem geschlossene Schwimmbäder - monatelang konnte man nicht mit den Kindern schwimmen. Und das nicht nur in diesem, sondern auch schon im vergangenen Schuljahr. Seit 21. Juni ist der Schwimmunterricht offiziell wieder erlaubt, doch an der Plinganserschule konnte er bis zur vergangenen Woche trotzdem nicht stattfinden.
DLRG: Immer mehr Kinder können nicht richtig schwimmen
Für Eltern wie Schulleitung ein Unding. Der Schwimmunterricht steht im Lehrplan, für die dritten Klassen sind zwei der drei wöchentlichen Sportstunden als Schwimmstunden vorgesehen.
Wie wichtig es ist, dass die Kinder in der Schule Schwimmen lernen, dürfte unbestritten sein. Laut DLRG steigt die Zahl der Nichtschwimmer seit Jahren. Schon vor Corona konnten laut einer DLRG-Umfrage 60 Prozent der Kinder beim Verlassen der Grundschule nicht richtig schwimmen. Diese Zahl dürfte nun deutlich steigen, mahnte der Verband mit Blick auf die geschlossenen Schwimmbäder bereits im Winter. Die Ausbildung von Schwimmanfängern sei schon 2020 "nahezu unmöglich" gewesen, man rechne in Bayern mit einem Jahrgang von bis zu 100.000 Nichtschwimmern.

Dass nun der eigentlich erlaubte Schwimmunterricht nicht stattfinden konnte, liegt an einer scheinbar unterschiedlichen Auffassung der Corona-Beschränkungen. Wie viele Schulen aus der Gegend nutzt die Plinganserschule für den Schwimmunterricht das Südbad. Dessen Besucherzahl ist weiterhin begrenzt und genau diese Begrenzung wird für die Schule zum Problem. Die Stadtwerke (SWM) als Betreiber lassen zusätzlich zu den normalen Badegästen maximal 15 Kinder plus eine Lehrkraft zum Schwimmunterricht in das relativ kleine Bad. Die Klassen sind mit 24 Kindern freilich größer. Neun Kinder müssten also draußen bleiben.
Wer soll die Kinder betreuen, die nicht ins Bad dürfen?
Das ist nicht nur schwierig, weil allen Kindern der Schwimmunterricht zusteht, sondern auch, weil diese Kinder in der Zeit betreut werden müssen. Dazu steht aber keine zusätzliche Lehrkraft zur Verfügung. Auf andere Klassen verteilen kann man die Kinder auch nicht, wegen Corona dürfen die Klassen nicht gemischt werden. Die Konsequenz: Der Schwimmunterricht konnte schlichtweg gar nicht stattfinden.
"Unsere Rektorin hat sich voll reingehängt, um die Situation zu lösen", sagt Christine Ulrich, die Vorsitzende des Elternbeirates. Es habe diverse Krisengespräche mit dem Schulreferat der Stadt und den Stadtwerken gegeben, auch mit dem Schulamt war man in Kontakt.
Die Lösung nach Ansicht der Eltern und der Schule: Die Stadtwerke sollen die ganze Klasse ins Bad lassen, notfalls, indem man für die Zeit des Schwimmunterrichts weniger reguläre Besucher einlässt.
Kultusministerium: Schule von Personenbegrenzung im Bad ausgeschlossen?
Decken würde sich das mit der Auffassung des Kultusministeriums, das auf AZ-Nachfrage erklärt, der schulische Bereich sei nicht vom Sportstättenbetriebsverbot erfasst. Dies gelte auch bezüglich der Personenhöchstzahl im Rahmen des außerschulischen Betriebs von Sportstätten. Gilt die Personenbegrenzung für die Unterrichtszeit also gar nicht?
Die Stadtwerke jedenfalls bleiben bei ihrer Regelung und berufen sich auf staatliche Auflagen. Für die Zeit des Unterrichts andere Badegäste auszuschließen, sei nicht möglich, heißt es auf AZ-Nachfrage, da dies zulasten des öffentlichen Badebetriebs gehen würde. Die Koordination der Schulen liege beim Referat für Bildung und Sport, mit dem stehe man "in engem Austausch, um möglich zu machen, was aufgrund er derzeitigen Vorgaben umsetzbar ist". Weiteren Handlungsbedarf sehe man nicht.
"Mir platzt der Kragen, wenn ich das höre", sagt Christine Ulrich zur AZ. Es sei um wenige Wochen bis zum Schuljahresende gegangen, aber vor allem auch um das kommende Schuljahr - "da wird Corona nicht weg sein und das Südbad auch nicht größer". Rektorin Ulrike Bauer ist ebenfalls höchst besorgt: "Die Kinder müssen schwimmen lernen! Da geht es um Lebensrettung", sagt sie. "Man könnte schon den Eindruck bekommen, dass es hier um wirtschaftliche Interessen geht."
Stadt stellt Betreuer zur Verfügung
Eine gute Nachricht für die Plinganserschule kommt schließlich aus dem Büro von Sportbürgermeisterin Verena Dietl (SPD), wo die AZ ebenfalls nach einer Lösung fragte.
Dietl erklärt, die Stadt könne zwar keinen Einfluss auf die Personalausstattung oder die schulorganisatorischen Belange der staatlichen Grundschulen nehmen, "aber wir können zusätzliche Ressourcen zur Verfügung stellen". Als schnelle Lösung stellt die Stadt daher eine Honorarkraft, um die Kinder, die nicht mit ins Schwimmbad können, zu betreuen. Rektorin Bauer ist froh, immerhin konnten so noch gut zwei Wochen Schwimmunterricht vor den Sommerferien gesichert werden.
Sie betont aber auch: "Das war jetzt eine absolute Notlösung." Eltern und Schule sind sich einig: Wie im neuen Schuljahr endlich wieder alle Kinder am Schwimmunterricht teilnehmen können, müsse endlich geklärt werden.
Angebote von Stadt und Freistaat: Mehr Bäderzeit und Gutscheine
Um dem Schwimmkursmangel entgegenzuwirken, haben Stadt und SWM ein Konzept entwickelt, mit dem in den Sommerferien die Wasserzeiten für Schwimmvereine und Kursanbieter ausgeweitet werden können. Dazu bleiben sechs Bäder - drei Schulschwimmbäder und drei SWM-Bäder - zu bestimmten Zeiten exklusiv für Anfängerschwimmkurse von Vereinen und Schwimmschulen geöffnet. Im neuen Schuljahr sollen zudem flächendeckend Schwimmkurse im Rahmen des Sportunterrichts angeboten werden. Nach dem Unterricht werden bevorzugt Anfängerkurse in die Schulschwimmbäder gelassen.
Alle Schwimmkurse werden von der Stadt München finanziell unterstützt. Zudem werden in den nächsten Jahren zehn Bäder fertiggestellt. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) versprach, zum ersten Schul- oder Kindergartentag sollen die Vorschulkinder und Erstklässler des Schuljahres 2021/22 einen 50 Euro-Gutschein zum Erwerb des Frühschwimmerabzeichens "Seepferdchen" in einem Schwimmkurs bekommen. Der Freistaat übernimmt zudem bis zu 30 Euro eines Jahresbeitrags beim Neueintritt in einen Sportverein.