Adventssamstag in München: Genervte und gestresste Weihnachtsshopper

Langsam pressiert’s: In der Stadt drängeln sich Touristen, zugereiste Powershopper und gehetzte Münchner. Ein Stimmungsbericht vom Weihnachts-Einkaufs-Wahnsinn.
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Petra Schramek / Ronald Zimmermann Illustration

MÜNCHEN - Langsam pressiert’s: In der Stadt drängeln sich Touristen, zugereiste Powershopper und gehetzte Münchner. Ein Stimmungsbericht vom Weihnachts-Einkaufs-Wahnsinn.

Andreas und Nadine sind genervt. Sie haben ihre kleine Tochter Helena dabei – und einen Kinderwagen: „Damit kommen wir hier in der Menschenmenge nicht vorwärts. Wenn wir in einen Laden rein müssen, ist das schon eine Qual“, erzählt Nadine. Viel haben die jungen Eltern noch nicht gekauft. Und sie haben außerdem etwas, das jetzt und hier ganz schlecht ist: Zeitdruck. „Wir müssen gleich zum nächsten Termin.“

Es ist Großkampftag am dritten Adventssamstag in der Innenstadt. Zwischen Stachus uns Marienplatz mag trotz Glühwein keine Besinnlichkeit aufkommen. Hier wird geschoben und geshoppt, die Schlangen an den Kassen sind lang, draußen schleppen die Leute haufenweise Tüten. Merke: Die mit den meisten Tüten sind nie Eingeborene, sondern meistens zugereiste Einkäufer. So wie Inge Jammine (46) aus Stellenbosch in Südafrika, die mit ihrer Mutter Christa Tieltzsch aus Celle hier ist. „Wir finden hier alles, was wir brauchen, vom Stress lassen wir uns nicht anstecken“, sagt Inge.

Ihre Mutter vermeldet stolz, dass man schon alle Geschenke eingeholt habe – und zeigt auf die Tüten-Berge. Sieben Enkel und drei Urenkel warten auf eine üppige Bescherung...

Anni und ihre Freundin sind aus dem Westerwald angereist. Sie haben ihre Männer absichtlich daheim gelassen. Die stören nur. „So haben sie ihre Ruhe und wir unseren Spaß“, sagt Anni. Das nennt man Pragmatismus. Dumm nur, dass die zwei ewig auf die Verkäuferin warten müssen und „nur vier“ Teile mit in die Umkleidekabine nehmen dürfen.

Wolfgang Totzauer aus Landsham hat seine Mission genauestens geplant. „Ich habe eine Todo-Liste vorbereitet“, sagt der 57-Jährige und die hat er dann abgearbeitet, Geschenk für Geschenk, und die Tüten im Packerl-Bus zwischengelagert. „Ich bin seit neun Uhr morgens da“, sagt er. Deswegen hat er jetzt alles und ist locker. „Jetzt trink’ ich noch was und dann werde ich heimfahren.“

Davon kann bei Monika, Gerhard und ihren beiden Kindern Max und Lisa noch keine Rede sein. Die Münchner Familie steckt im Chaos an den Umkleidekabinen. Die Eltern warten, dass eine Kabine frei wird. Und warten. Tochter Lisa hält eine gelbe Jacke in der Hand. „Nur mal kurz anprobieren“, beteuert die 15-jährige. Und verschwindet hinterm Vorhang. Das Warten geht weiter.

„Ihr Geschenk hat sie eigentlich schon bekommen“, murrt die Mutter. „Eine Englandreise!“ Bis gestern die beste Freundin der Tochter aufgeschlagen ist – in einer neuen Jacke. „Sie hat unsere Pläne total durcheinander gebracht.“ Eigentlich wollte die Familie heute gar nicht in die Stadt. Uneigentlich stapeln sich sieben große, prallgefüllte Tüten.

Immerhin: Die Familie verbringt an solchen Tagen mal wieder Zeit miteinander. Auch wenn „familiäre Konflikte dann programmiert sind“, wie Vater Gerhard analysiert. „Manchmal wünsche ich mir, dass Weihnachten schon vorbei wäre“, sagt Mama Monika. Nein, ganz so schlimm ist es dann auch nicht. „Eigentlich freu ich mich doch drauf.“

Dagegen wirken Werner und Claudia entspannt. Sie haben sich am Imbiss-Standl Pommes gekauft und Freude sich. Sie brauchen nämlich gar keine Geschenke mehr. „Nur noch Kleinigkeiten“, sagen sie. Schnäppchenausschau. Außerdem: Stress am Einkaufssamstag? Für die beiden überhaupt kein Thema. Von Beruf sind sie nämlich Bäcker. „Normalerweise stehen wir um kurz nach Mitternacht auf, heute haben wir bis neun geschlafen.“ Julia Walker

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