"Ach Ude, geh' doch nach Buxtehude!"

Die Gegner des Flughafen-Ausbaus attackieren auf dem Marienplatz vor allem den Münchner Oberbürgermeister. Die Stimmung ist aufgeheizt, aus den Boxen dröhnt Fluglärm.
von  Christian Pfaffinger
AufgeMUCkt: Demo gegen die dritte Startbahn des Münchner Flughafens auf dem Marienplatz.
AufgeMUCkt: Demo gegen die dritte Startbahn des Münchner Flughafens auf dem Marienplatz. © Gregor Feindt

Die Gegner des Flughafen-Ausbaus attackieren auf dem Marienplatz vor allem den Münchner Oberbürgermeister. Die Stimmung ist aufgeheizt, aber gut – und aus den Boxen dröhnt Fluglärm

München - Vor dem Rathaus schmusen Christian Ude und Michael Kerkloh. Der Oberbürgermeister und der Chef des Flughafens im Erdinger Moos liegen sich in den Armen. Um sie herum stehen tausende Menschen. Sie pfeifen und trommeln. Aber niemand von ihnen hat die beiden Herren noch lieb. Wütend blicken die Menschen am Marienplatz zu Ude und Kerkloh und rufen ihnen Schmähungen zu. Auch wenn sie nur als Pappfiguren hier sind.

7000 Menschen protestieren am Marienplatz gegen die geplante dritte Startbahn. Die Zahl stammt von der Polizei, die mit 250 Beamten vor Ort ist. Die Veranstalter vom Aktionsbündnis „AufgeMUCkt” wollen sogar 10000 Menschen gezählt haben. Viele Münchner sind da, viele Menschen aus den Gemeinden rund um den Flughafen und ebenso nicht direkt betroffene Unterstützer, etwa aus Ingolstadt oder dem Allgäu.

Christian Ude ist nicht gekommen. Obwohl der Protest vor allem ihm gilt. Weil er sich für den Bau der dritten Startbahn einsetzt, bekommt der sonst so beliebte SPD-Politiker nun starken Gegenwind. Der könnte ihm bei den Wahlen im nächsten Jahr die Landung im Amt des Ministerpräsidenten verwehen. Trotzdem hält er an seinen Plänen fest.

Auf dem Marienplatz halten die Demonstranten deshalb besonders viele Schilder mit Sprüchen gegen Ude in die Höhe. Darauf steht etwa: „Ude geh’ nach Buxtehude”. Stattdessen wird Ude am selben Tag nach Niederbayern fahren und Hubert Aiwanger auf dessen Hof in Rahstorf besuchen (siehe S. 3). Der Landeschef der Freien Wähler schwingt in München schon mal große Worte: „Er will mich kennen lernen. Und er kann mich kennen lernen.” Die Menge lacht. „Aber wenn ich nicht so tierlieb wäre, würde ich ihn so lange in den Kälberstall einsperren, bis er sich von der dritten Startbahn verabschiedet.” Die Menschen johlen.

Die Stimmung ist gut. Jetzt steigt Hans Well auf die Bühne. Er ist als Polit-Musiker mit der Biermösl Blosn immer wieder bei Protesten aufgetreten. Mit seinen Kindern Jonas und Tabea spielt er gegen das Glockenspiel im Rathaus an. Und gegen die Politik im Rathaus. Ein Überflieger wie Ude brauche wohl eine dritte Startbahn, lästert er und singt: „Stuttgart, Isental, Sunzig – die SPD ist bei jedem Scheiß dabei.”

Sehen Sie hier die Bilder der Demonstration von Münchens Startbahngegnern

Die Reden werden emotionaler. Das merkt man vor allem bei Dieter Thalhammer, dem Freisinger OB. „Wir fühlen uns verraten und verkauft”, ruft er und klagt damit seinen SPD-Kollegen Ude an. Sein Appell: „München wach auf, Freising zählt auf dich.” Dafür erntet er den lautesten und längsten Applaus an diesem Vormittag.

Viele Redner sprechen immer wieder von einer Welt, „in der unsere Kinder und Kindeskinder leben werden”. Das ist eine Floskel, die alle jüngsten Proteste eint. Ob bei den Anti-Atom-Veranstaltungen, der Occupy-Bewegung oder bei der Demonstration gegen die dritte Startbahn – die Redner wollen Verantwortung zeigen. Dieses Gefühl zählt.

Alle auf dem Marienplatz sind sich einig. Dass das anderswo nicht so einfach ist, zeigt die Lage von Margarete Bause. Die Fraktionschefin der bayerischen Grünen ist bei ihrer Rede im Ton zwar sehr scharf, inhaltlich aber zurückhaltend. Der Grund: Noch sind sich die Grünen im Stadtrat und im Landtag nicht einig, was sie machen, wenn die Bürger sich für die dritte Startbahn entscheiden. Die Veranstalter der Demo am Marienplatz haben ein Bürgerbegehren in München und eine Massenpetition im Freistaat gestartet. Ob sie damit Erfolg haben, ist noch nicht abzusehen.

Bei „AufgeMUCkt” ist man sich aber sicher, dass das klappt. Noch während der letzte Redner auf der Bühne heiser ins Mikrofon krächzt, nennen sie die Demo einen „Meilenstein” im Widerstand gegen den Flughafen-Ausbau.

Dann dröhnt Fluglärm aus den Boxen. Er ist so laut, dass die Luft am Marienplatz vibriert. Die Menschen aus dem Erdinger Moos pfeifen. Sie kennen das. Die Passanten am Rand der Demonstration halten sich die Ohren zu. Zwei Männer tragen einen gebastelten Grabstein Richtung Tal. Attaching steht darauf. Es ist klar, wer für sie der Mörder ihres Ortes wäre.

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