Abzocke mit Abschleppfalle? Ärger an der Zulassungsstelle
München - Die Münchnerin Christa Wachsmann wollte vor etwa zwei Monaten endlich eine lästige Pflicht erledigen. Die Zulassungsbehörde hatte sie nach einer Rückrufaktion aufgefordert, ihren neuen Airbag eintragen zu lassen. Also nahm sie sich extra frei und fuhr zur Eichstätter Straße. "Es war schon länger her, dass ich dort gewesen war", sagt Wachsmann. Seit Jahren fährt sie ihr liebgewonnenes Cabrio. Behördengänge sind da selten nötig.
Wachsmann macht eine Neuentdeckung: Siehe da, eine Parkbucht, direkt an der Zulassungsstelle. "Wie praktisch, dachte ich mir. Ich habe geparkt und bin direkt in die Behörde gehetzt. In der Eile vergaß ich, ein Parkticket zu ziehen", erinnert sich Wachsmann. Später fiel es ihr zwar auf, aber sie hoffte, mit ein bisschen Glück kein Knöllchen zu bekommen. Doch was sie nicht ahnte: Ihr drohte nun die maximale Strafe – nämlich abgeschleppt zu werden.
"Das Privatgrundstück sieht aus wie öffentlicher Parkraum"
So geschah es dann auch. Das alltägliche Schauspiel an der Eichstätter Straße nahm seinen Lauf. Ein Tieflader der Firma Abschlepphilfe 24 rückte an. Der Fahrer dokumentierte mit einigen Fotos die Situation, hievte den BMW auf den silber-roten Tieflader und fuhr davon – weil kein Parkschein an der Scheibe zu sehen war. "Der Parkplatz sieht aus wie ein öffentlicher Parkraum. Das ist schon täuschend", sagt Wachsmann.
Auch wenn viele Falschparker hier bewusst kein Ticket ziehen – was natürlich nicht in Ordnung ist –, kommt keiner auf die Idee, gleich abgeschleppt zu werden. "Wenn dann hätte ich mit einem Strafzettel gerechnet", sagt Wachsmann. Während handelsübliche Knöllchen in der Stadt eine Höhe von 10 bis 30 Euro haben, ist jedoch das Bußgeld, das Wachsmann zahlen muss, schmerzhaft: 260 Euro. Nach der Überweisung erfuhr sie, dass ihr Cabrio in der Fasanerie abgestellt wurde. "Interessanterweise fand ich mein Auto im Halteverbot", erzählt Wachsmann. Dokumentiert hat sie das nicht.

Regelmäßig rufen Abgeschleppte bei Dennis Lehmann an. Er ist der Geschäftsführer der Tönjes Holding AG mit Sitz in Delmenhorst, der das Stück Privatgrund auf dem Areal der Zulassungsstelle gehört. Er klingt verzweifelt. "Natürlich ist es uns nicht Recht, wenn sich Menschen ungerecht behandelt fühlen", stellt Lehmann klar, "aber wir wussten uns nicht anders zu helfen, als ein Abschleppunternehmen zu beauftragen, das für Ordnung sorgt. Die Kunden der Zulassungsstelle haben dort völlig wild geparkt, auch nachdem wir den Ticketautomaten aufgestellt haben."
Das Grundstück gehörte früher der Stadt München
Man habe das Grundstück vor etwa vier Jahren der Stadt München abgekauft, auch als Investition für die Zukunft, für einen siebenstelligen Betrag. Schließlich wisse man nicht, was noch so komme, insbesondere dann, wenn immer mehr behördliche Vorgänge online erledigt werden können.
Ob es sich lohne, zwei Euro pro Stunde zu verlangen? "Winterdienst, Sauberkeit, Verkehrssicherheit: Mit den zwei Euro Parkgebühr pro Stunde machen wir keinen Gewinn. Das gleicht in etwa die Betriebskosten wieder aus", versichert Lehmann. Zudem bekämen die Kunden, die bei Tönjes, direkt am Parkplatz im anliegenden Häuschen, ein Schild prägen lassen, auch die Parkgebühren wieder zurück.
In 180 deutschen Städten ist Tönjes aktiv. "Aber in keiner Stadt haben wir solche Probleme mit der Parksituation wie in München", sagt Lehmann. Wenn sich demnächst die Lage nicht bessere, "überlegen wir, das Areal einfach abzusperren", sagt er. Mit dem Abschlepp-Dienstleister habe man schon längst gesprochen. "Er hatte uns versichert, dass sie dort verhältnismäßig vorgehen", sagt Lehmann, "ich glaube, die betroffenen Leute sind einfach grundsätzlich wütend, wenn sie abgeschleppt werden."
"Wenn sich die Lage nicht bessert, sperren wir den Parkplatz ab"
Abzock-Vorwürfe machen die Runde
Während es im öffentlichen Raum mehrere Eskalationsstufen gibt, bis man auf einem Parkplatz mit Ticketautomaten abgeschleppt wird, existieren hier nur zwei Optionen. Entweder man zieht das Ticket oder das Auto wird abgeräumt. Stellt sich die Frage, ob es denn keine Alternativen für die Tönjes Holding AG gab. Lehmann und sein Arbeitgeber haben das alles durchdacht, fanden aber offenbar keine andere Lösung.
"Unsere erste Idee war, eine Parkschranke zu bauen", sagt Lehmann, "samt Ticketautomaten. Wir ließen uns Angebote machen. Aber die Anbieter sagten: Das lohnt sich nicht bei der kleinen Parkplatzgröße." Auch über eine private Parkplatzkontrolle hat das Unternehmen nachgedacht, also eine Art Security, die regelmäßig über den Platz läuft, Verwarnungsgelder an die Scheibe klemmt – was rechtlich durchaus möglich wäre. "Aber auch hier haben uns die Anbieter erklärt, dass es bei der kleinen Parkplatzgröße ein Minusgeschäft wäre", erzählt Lehmann.

Bleibt die Frage, ob das Abschleppunternehmen Abschlepphilfe 24 sauber arbeitet. Denn rundherum wurden einige Vorwürfe laut. Geschäftsleute an der Eichstätter Straße berichten von Abzocke, dass die Abschlepper regelrecht auf der Lauer liegen und nur darauf warten, dass jemand kein Ticket zieht. Sie stünden sogar selbst im Halteverbot, während sie lauerten.
Ein Anruf in Gröbenzell bei Abschlepphilfe 24. Wir sprechen mit einem Verantwortlichen, der mit der AZ eigentlich gar nicht sprechen will. Nur so viel: Die Vorwürfe seien alle nicht wahr. Zeit also, sich selbst ein Bild davon zu machen, wie Abschlepphilfe 24 hier arbeitet.
Ein Abschlepper steht stundenlang in der Westendstraße
Es ist der Freitag vor den Sommerferien. Rund um die Zulassungsstelle ist jeder Parkplatz besetzt. Auch auf dem Schild der Tiefgarage steht leuchtend rot: "Besetzt". Hochbetrieb. Nur auf dem Grundstück von Tönjes sind einige Plätze frei. Ein Mercedesfahrer steht dort ohne Parkticket, seit etwa 30 Minuten. Die Kennzeichen sind abmontiert. Vielleicht muss der Eigentümer neue Schilder prägen lassen. Abschlepp-Tieflader von "Abschlepphilfe 24" sind an diesem Tag hier nicht zu sehen.

Eine kurze Tour rund um den Block zeigt aber: Einer der silber-roten Lkw von "Abschlepphilfe 24" steht ohne Fahrer etwa zwischen 10 und 12 Uhr nicht weit entfernt an der Hauptverkehrsader Westendstraße. Wenige Minuten später kommt aber ein weiterer Abschlepp-Lkw von Abschlepphilfe 24 und fährt gezielt auf das Areal des Privatparkplatzes. Der bärtige Fahrer steigt aus, macht Fotos, von der Windschutzscheibe und vom Fahrzeug im Ganzen. Jetzt hievt er den Mercedes auf den Lkw.
Die AZ stellt eine Anfrage an das Kreisverwaltungsreferat (KVR) und an das Kommunalreferat. Beide Behörden sind sehr zurückhaltend. Dem KVR sei die Abschleppthematik zwar schon bekannt. Wie viele Münchner sich beim KVR beschweren, könne man nicht sagen. Warum das städtische Areal überhaupt verkauft wurde? Könne man nicht sagen, Datenschutzgründe.
Die Stadt gibt sich wortkarg
Ob und wie auf dem Privatgrundstück abgeschleppt werde, könne und wolle man nicht beurteilen, da es nun mal Privatgrund sei. Ob der Parkplatz nicht täuschend echt einer öffentlichen Parkmöglichkeit ähnele? Antwort: "Das obliegt nicht unserer Beurteilung." Es seien ja schließlich Schilder aufgestellt, die auf den privaten Charakter hinweisen.
Zurück bleiben finanziell geschädigte, verwunderte Autofahrer wie Christa Wachsmann, die in die Abschleppfalle getappt sind. Sie wird das nächste Mal zwar sicher ein Parkticket ziehen. Doch der üble Beigeschmack bleibt: 260 Euro Strafe, weil sie vergessen hat, einen Parkschein zu kaufen.
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