Abstimmen über das Semester-Ticket: Der Solidaritäts-Test

MÜNCHEN - München ist reich an Superlativen – und vielleicht kommt bald ein neuer dazu: Wenn die Studenten mehrheitlich dafür sind, gibt es ab 2010 das teuerste Semester-Ticket Deutschlands.
222 Euro sollen die Studierenden dafür zahlen, dass sie sechs Monate lang rund um die Uhr im gesamten MVV-Gebiet herumfahren können. Oder einen Sockelbeitrag von 78,50 Euro – für Fahrten zwischen 18 und sechs Uhr.
Was auf den ersten Blick seltsam erscheint, ist beim genauen Hinschauen eine „historische Chance“, wie es Studentenwerks-Chefin Ursula Wurzer-Faßnacht formuliert: „Wenn die Studierenden dieses Angebot nicht aufgreifen, wird es hier wahrscheinlich nie mehr ein Semesterticket geben.“
Diese Einschätzung speist sich aus den leidvollen Erfahrungen von inzwischen 17 Jahren. So lange schon versuchen die Studierenden der drei Münchner Unis (derzeit knapp 40000), mit dem MVV ins Geschäft zu kommen.
Bisher vergeblich, denn der Verbund kann und darf – mangels Zuschüssen von Stadt, Freistaat oder Universitäten – nur Angebote machen, bei denen er nicht draufzahlt. Und die waren immer zu teuer.
Doch jetzt gibt es nach zähen Verhandlungen und dem Eingreifen von OB Christian Ude und der FDP-Minister Wolfgang Heubisch (Wissenschaft) und Martin Zeil (Wirtschaft) ein Angebot, mit dem die Studis nach Meinung ihrer Unterhändler leben können. Es basiert, und das erklärt die Merkwürdigkeiten, auf dem Solidaritätsprinzip. Sollte sich bei der Online-Urabstimmung (www.semesterticket-muenchen.de) vom 23. November bis 4. Dezember die Mehrheit der Studis für das neue Angebot entscheiden, muss künftig jeder von ihnen die 78,50 Euro pro Semester blechen. Ganz egal, ob er das „Sockel-Ticket“ braucht – oder nicht.
Hauptproblem: Die Kosten für den MVV liegen derzeit je nach Wohnort und Uni oder Institut zwischen null und gut 600 Euro pro Semester. „Rund die Hälfte der Studierenden kann mit dem Semesterticket sparen“, haben die Studentenvertreter errechnet. Die andere Hälfte würde aus Solidarität gleich viel bezahlen wie bisher – oder mehr.
Nur wenn mindestens 20 Prozent der Studis an den drei Unis mehrheitlich mit Ja stimmen, kommt das neue Ticket im Wintersemester 10/11. Die Abstimmung – ein echter Solidaritäts-Test. Rudolf Huber