Abschied von Wilfried Scharnagl: Trauergottesdienst in München
München - Die Bänke unter dem Sternenhimmel der Ludwigskirche sind bis auf den letzten Platz gefüllt. Nicht nur, aber auch mit großen Namen aus der Politik, vornehmlich der CSU natürlich. Neben Ministerpräsident Markus Söder kamen Edmund Stoiber, Peter Gauweiler, Theo Waigel, Ilse Aigner, Alexander Dobrindt, Markus Blume, Bernd Posselt und Alois Glück zum Trauergottesdienst für den Strauß-Vertrauten Wilfried Scharnagl († 79). Aber auch Monika Hohlmeier, Georg Strauß, Werner Weidenfeld und Hubert Aiwanger (FW).
Aufstehen, hinsetzen, hinknien – ein Gottesdienst folgt festen Abläufen, erst recht eine katholische Trauermesse. Dass all die Partei-Granden demütig knien und innehalten, könnte dem Verstorbenen, wie er in den Trauerreden beschrieben wird, gut gefallen haben. "Politisches Gewissen" und "moralischer Kompass der CSU", nennen ihn Edmund Stoiber und Markus Söder in ihren Reden.
In den Reden geht es auch viel um die CSU
Ein "bayerischer Patriot, aber auch großer Europäer", der, so Stoiber, "wie kein anderer die große Bandbreite der CSU verkörpert" habe. Etwas, worauf sich die CSU von heute wieder ein bisschen mehr besinnen könne, meint Söder. Beim Abschied von Wilfried Scharnagl geht es freilich um den Verstorbenen, aber eben auch sehr viel um die CSU.
Scharnagl war Historiker, Journalisten und Autor, "ein scharfzüngiger Intellektueller", wie Stoiber sagt. "Seine Worte konnten wirken, wie wenn ein Blitz den Baum trifft", sagt Peter Gauweiler. Ein "Ur-CSUler", der, früher als "kongeniales Sprachrohr", bis heute als Hüter des Vermächtnisses, von Franz Josef Strauß auch für die alte CSU und ihre goldenen Jahren steht. Gar nicht wenig, so gewinnt man den Eindruck, wird auch darum getrauert.
In diesen Zeiten war Scharnagl Chefredakteur des Partei-Organs "Bayernkurier", ein Leitartikel von ihm, so erinnert Markus Söder, konnte in der Bonner Republik noch Schockwellen auslösen.
Enger Vertrauter von FJS - Stoiber spricht von Symbiose
Vor allem aber war Scharnagl enger Vertrauter von Franz Josef Strauß als Teil einer, so Stoiber, "in der Parteigeschichte einmaligen Symbiose". Und so fällt natürlich das berühmte Strauß-Zitat: "Er schreibt, was ich denke – und ich denke, was er schreibt." Scharnagl habe, so Stoiber, das Vermächtnis von Strauß nicht nur weitergetragen, er sei auch bis heute ein wichtiger Ratgeber aller Parteivorsitzenden gewesen. Ein "kantiger, leidenschaftlicher Mensch, der sein Fähnlein nicht nach dem Wind richtet. Das ist in der heutigen Politik selten", sagt Stoiber.
Spontaner Applaus nach Gauweilers Abschiedsrede
Die packendste und zugleich herzlichste Rede gelingt Peter Gauweiler. Von ihm erfahren die Zuhörer etwas über den Menschen neben der Politik, der seine Frau schon in der Kindheit auf dem Dorf kennenlernte, der die Lyrik und den Brandner Kaspar liebte und seinen 80. Geburtstag, der vor wenigen Tagen gewesen wäre, in der Osteria feiern wollte, nicht weit von "seiner Kirche", in der nun Abschied genommen wird.
Als Musik für Reisen, so erzählt Gauweiler, habe er immer den Defiliermarsch, aber auch Louis Armstrongs "When the Saints Go Marching in" dabei haben wollen. Und als Gauweiler mit Worten aus eben jenem Liedtext schließt, gibt es in der Kirche spontanen Applaus.