"Abschiebungen sind ein Suizidprogramm"
Es sind harte Worte, die Rechtsanwalt Gunter Christ über die Folgen der Abschiebungen nach Afghanistan sagt: "Ich denke, dass die Suizidgefahr dramatisch zugenommen hat. Es gibt immer mehr, die in Kliniken eingewiesen werden. Insofern ist es eine Art Suizidprogramm."
Die Realität in den Flüchtlingsheimen gibt dem Anwalt für Asylrecht leider Recht. Eine ehrenamtliche Helferin aus Haar klagt: "Die Afghanen bekommen alle negative Bescheide. In den Unterkünften geht die Angst um, denn die Asylbewerber stehen unter einem extrem hohen Druck."
Am Samstag hat ein 20-jähriger Afghane aus Haar diesen Druck nicht mehr ausgehalten. Nachdem er auf der Post die Ablehnung seines Asylantrags in Empfang genommen hatte, wartete er an den Gleisen den nächsten ICE ab.
Er hätte gegen die Ablehnung Widerspruch einlegen können, denn es war sein erster negativer Bescheid. "Aber er hat das psychisch nicht mehr durchgehalten", sagt die Ehrenamtlerin.
"Er hatte eine unvorstellbare Angst davor, zurückkehren zu müssen"
Vor 19 Monaten war er aus der Provinz Kandahar gekommen. Der junge Afghane muss Schreckliches gesehen und erlebt haben. "Er war traumatisiert und schwer depressiv. Er hatte eine unvorstellbare Angst davor, zurückkehren zu müssen", sagt die Helferin.
Deshalb lernte er in seinen ersten Monaten in Deutschland täglich vier bis fünf Stunden Deutsch – allein, weil er keinen Kursplatz hatte. Zuletzt ging er auf eine Schule, die ihn auf eine Ausbildung vorbereitete. Er träumte davon, Automechaniker zu werden. "Wir Helfer mussten in den letzten Wochen beobachten, dass er sich mehr und mehr zurückgezogen hat. Es ging ihm immer schlechter", sagt die Helferin.
Sie, die anderen Ehrenamtler und die Mitarbeiter in der Flüchtlingsunterkunft reiben sich auf für die Asylbewerber. Doch immer wieder scheitern sie an der Politik. "Die rigide Abschiebepolitik von de Maizière hat ihn umgebracht", sagt die Helferin.
Am Montagabend soll auch ein Mann aus Mühldorf abgeschoben werden. Er ist mit einer Deutschen liiert, die Heirat scheiterte an fehlenden Papieren aus Afghanistan. Der Mann schnitt sich am Freitag die Handgelenke auf und trank eine chlorhaltige Lösung. Heute soll er aus der Psychiatrie entlassen und nach Afghanistan geflogen werden. Auch ein zweiter in Mühldorf untergebrachter Flüchtling versuchte, sich aus Angst vor der Abschiebung das Leben zu nehmen. Er sitzt heute Abend ebenfalls im Flieger.
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