Abschiebungen: Berlin macht Tempo, München bremst

Bund und Länder wollen abgelehnte Flüchtlinge schneller loswerden. München dagegen pflegt eine ganz andere Abschiebe-Praxis.
Von Florian Zick |
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Abschiebungen aus München sind im Vergleich zum Bundesdurchschnitt eher selten.
dpa Abschiebungen aus München sind im Vergleich zum Bundesdurchschnitt eher selten.

Abgelehnte Asylbewerber sollen das Land in Zukunft auch tatsächlich verlassen müssen. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) will die Abschiebe-Praxis deutlich beschleunigen. Bei einem Spitzentreffen im Bundeskanzleramt berieten Vertreter von Bund und Ländern gestern Abend deshalb einen 16-Punkte-Plan (siehe Kasten unten). Dieser soll auch Anreize für eine freiwillige Ausreise vorsehen.

In Berlin drückt man bei den Abschiebungen also ordentlich aufs Tempo. In München dagegen fährt man nach wie vor einen eher liberalen Kurs.

Vergangenes Jahr gab es in der bayerischen Landeshauptstadt gerade einmal 14 Abschiebungen wegen eines abgelehnten Asylgesuchs. Bei 14 000 anerkannten Flüchtlingen in München kommt rein rechnerisch also auf 1000 Asylsuchenende lediglich eine einzige Abschiebung.

Der neue KVR-Chef Thomas Böhle (SPD) hält damit konsequent an der Linie fest, die sein Vorgänger Wilfried Blume-Beyerle jahrelang geprägt hat. Diese besagt, dass München nur abschiebt, wenn es tatsächlich nicht anders geht.

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München schiebt fast nur Straftäter und Gefährder ab

"Wir schieben primär Straftäter und Gefährder ab", sagt Böhle. 2016 waren das insgesamt 93 Fälle. Im Asylbereich dagegen komme es relativ selten zu Abschiebungen, so der Stadtminister. Die meisten der abgelehnten Flüchtlinge würden ohnehin freiwillig in ihre Heimat zurückkehren. Vergangenes Jahr waren das allein in München 213.

Die Stadt kommt damit den Forderungen nach, die aus der Wirtschaft immer wieder an sie herangetragen werden. Der Industrie- und Handelskammer (IHK) zum Beispiel ist sehr daran gelegen, dass Flüchtlinge, die eine Ausbildung angefangen haben, diese auch beenden dürfen.

Da gehe es um die sogenannte "3-plus-2"-Regelung, die der Bundestag vergangenes Jahr beschlossen habe, sagt Hubert Schöffmann von der IHK München. Wenn Flüchtlinge also eine dreijährige Lehre anfangen, bekommen sie für diese Zeit eine Duldung und für eine anschließende Beschäftigung zwei Jahre Aufenthaltsrecht.

Bei 12.000 Ausbildungsplätzen, die vergangenes Jahr in Bayern unbesetzt geblieben sind, hofft die IHK den Fachkräftemangel so zumindest ein bisschen abmildern zu können. "Zudem muss man den Leuten, die hier sind, auch einfach eine Perspektive bieten", sagt Schöffmann.

Die IHK pocht deshalb darauf, dass vor allem das Asylverfahren beschleunigt wird. In den ersten drei Monaten nach ihrer Ankunft dürften Flüchtlinge sowieso nicht arbeiten, so Schöffmann. In dieser Zeit sollte aber auch entschieden werden, ob jemand zurückgeschickt wird oder künftig dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht.

Der Flüchtlingsrat klagt: Die eigentlichen Probleme bleiben

Der bayerische Flüchtlingsrat geht mit seinen Forderungen etwas weiter. Derzeit würden etwa 15-20 Prozent der Geduldeten wieder nach Hause geschickt, schätzt Stephan Dünnwald. Wenn jetzt die Abschiebungen forciert werden, würden daraus vielleicht 40 Prozent. Das eigentliche Problem werde damit aber nicht gelöst.

Auch bei 40 Prozent wäre ein Großteil der Flüchtlinge ohne Bleibeperspektive quasi weiter in Deutschland gestrandet. Kein Job, keine richtige Zukunft – statt einfach mehr Geld für die Bewachung dieser Flüchtlinge auszugeben, sollte das Geld lieber in eine politische Lösung investiert werden, findet Dünnwald.

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