Abrechnungs-Affäre: Das schwere Erbe der Brigitte Meier

Der Revisionsbericht in der Abrechnungs-Affäre zeigt, wie überfordert das Sozialreferat mit den vielen Flüchtlingen im Sommer 2015 war
von  Florian Zick
Über die Abrechnungs-Affäre gestolpert: Brigitte Meier.
Über die Abrechnungs-Affäre gestolpert: Brigitte Meier. © ps

Ein knappes Jahr nach dem Abgang der damaligen Sozialreferentin Brigitte Meier (SPD) beschäftigt die Affäre um falsch abgerechnete Flüchtlingskosten das Rathaus noch immer. Gestern ging dem Stadtrat der fertige Revisionsbericht zu. Der legt offen, wie überfordert das Sozialreferat auf dem Höhepunkt des Flüchtlingsstroms tatsächlich war.

Zwar nennt der Bericht keine konkrete Summe. Wie viel Geld der Stadt entgangen ist, weil das Stadtjugendamt versäumt hat, die Betreuungskosten für jugendliche Flüchtlinge fristgerecht beim Freistaat erstatten zu lassen, lässt sich noch nicht abschließend sagen. Legt man die Schilderungen des städtischen Revisionsamts zugrunde, dürfte es sich aber um eine nicht unerhebliche Millionensumme handeln.

Im Sommer 2015 ist das alte System nicht mehr tragfähig

Die ganze Angelegenheit ist überaus kompliziert. Um annähernd verstehen zu können, wie es zu den folgenreichen Versäumnissen kommen konnte, muss man ins Jahr 2015 zurückschauen.

Damals kamen im Spätsommer teilweise bis zu 12 000 Flüchtlinge am Münchner Hauptbahnhof an – und das an einem einzigen Tag. Eine so noch nie dagewesene Ausnahmesituation.

Insgesamt 10 319 minderjährige Flüchtlinge hat die Stadt 2015 untergebracht– so viele wie in den Jahren zuvor zusammen nicht. Darauf waren weder die Stadt noch Sozialverbände eingestellt, die im Auftrag der Stadt die Inobhutnahme übernehmen.

Um den Ansturm trotzdem halbwegs bewältigen zu können, stellte das Stadtjugendamt in dieser Situation die Finanzierung um: Statt Tagessätze zu bezahlen, erstattete die Stadt den Sozialverbänden ihre Personalkosten pauschal. Nur so konnte sichergestellt werden, dass sich auch kurzfristig genügend Betreuungspersonal finden ließ.

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Die Stadt beschäftigte auf diese Weise zunächst 14 Sozialverbände: darunter Caritas, Diakonie, Condrobs. Diese arbeiteten zwar eigentlich jeder für sich, handelten wenn nötig aber auch als Verbund. Wenn der eine Personal frei hatte und dem anderen gerade welches fehlte, dann wurden Aufträge einfach weitergegeben.

Im Stadtjugendamt führte das irgendwann zu einem totalen Durcheinander. Dort konnte man schließlich nicht mehr nachvollziehen, welcher Sozialverband welche Leistungen erbracht hatte. Bis Mai vergangenes Jahres wurden die eintrudelnden Rechnungen deshalb weitgehend ohne Kontrolle beglichen.

Die absurde Geschichte bekommt noch eine besondere Note

Nun klingt allein schon der Umstand absurd, dass eine Behörde überhaupt so fahrlässig handelt. Eine besondere Note bekommt die Sache aber noch dadurch, dass der Wechsel von den entgeltfinanzierten Tagessätzen zu der pauschalen Kostenerstattung eigentlich vom Stadtrat hätte abgesegnet werden müssen.

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Theoretisch sind die Verträge mit den Sozialverbänden damit unwirksam. Die Stadt könnte ihr Geld einfach zurückfordern. Das wird sie aber freilich nicht tun. Schließlich liegt der Fehler bei ihr, nicht bei den Verbänden.

Den ganzen Verhau aufräumen muss nun die neue Sozialreferentin Dorothee Schiwy (SPD). Die glaubt eher nicht daran, dass die Geschichte noch ein versöhnliches Ende nehmen wird. Eigentlich könnte die Stadt die Kosten nämlich vom Bezirk Oberbayern zurückfordern. Der ist an sich für die Flüchtlinge zuständig. Allerdings: Der Bezirk erstattet nur Tagessätze, keine Pauschalbeträge. So bleibt die Stadt wohl auf ihren Kosten sitzen.

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