Ab Donnerstag wird getanzt! So lief die Probengaudi bei den Schäfflern

München - Sowieso hat er daheim geübt. Tage, ach, Wochen! Für den Ernstfall. Der ist jetzt da. Stefan Schiedermeier balanciert auf dem schwarz-gelb gerauteten Schäfflerfassl im Hof der Laimer Fass-Fabrik von Wilhelm Schmid, ein bissl dämmert's schon, obendrein nieselt es jetzt.
Scherben bringen Glück
Und während die Holledauer Randstoasutzler drüben vom Schuppen aus hertrompeten, wirbelt Schiedermeier, der in der Männertruppe einer der zwei "Reifenschwinger" ist, die weißblauen Reifen sauber im Viervierteltakt, rauf und runter und wieder herum, die zwei Schnapsglasl, die in den Reifen mitrotieren, bleiben in Position. Fast, jedenfalls. Weil das eine, auweh, dann doch herunterscheppert, auf den Asphalt. Egal, es heißt ja, Scherben bringen Glück.

Und das können die Münchner Schäffler die nächsten vier Tage gut gebrauchen. Es bleiben nämlich nur zwei Abende zum Proben, bevor sie heute Mittag nach rund drei Jahren Probenpause quasi spontan vor der Staatskanzlei auftreten mit ihrem Schäfflertanz.
Vom Ministerpräsidenten hergewünscht
Der Ministerpräsident hat sich die Schäffler jetzt hergewünscht, außerhalb des traditionellen Sieben-Jahres-Turnus (eigentlich hätten sie erst 2026 wieder auftreten sollen). Aber wer zu Pestzeiten die Epidemie wegtanzen kann, kann auch Corona aus den Straßen und gegen den Krieg tanzen. Oiso, auf geht's.
Die Einlage der Reifenschwinger auf dem Fassl ist nämlich nur ein kleiner Teil des 20-Minuten-Programms, das die 20 Tänzer, zwei Kasperl, zwei Reifenschwinger und der Fähnrich mit ihren mit Buchs ummantelten Tanzbögen sich gut merken müssen.
Eine anspruchsvolle Choreografie
Davor und danach steht ein sauber choreographierter Ein- und Ausmarsch zum Bayerischen Defiliermarsch. Dazwischen eine ausgefuchste Abfolge an sechs Dreh- und Tanzfiguren zum Blasmusiksound des Schäfflerlieds, von der "Schlange" über die "Laube", die "Krone", das "Kreuz und die "Vier Kreise" bis zum "Changieren", die Knie bei den Sprungschritten bittschön hoch bis zur Hüfte, und an keiner Stelle den Vordermann verlieren.

Das kann schon bei der "Schlange" locker passieren (die die Krankheit symbolisiert, die über die Stadt kommt), da verschränken und verwurschteln sich die Lauflinien der Männer so kunstvoll, dass man sich wundert, wie sie am Ende wieder ordentlich in Reih und Glied im Kreis stehen.
Die "Laube" ist besonders kompliziert
Ganz kompliziert wird's bei der "Laube", bei der die Tanzbögen halb übereinander und ineinander verschränkt hingetanzt werden müssen. Das schaut erstaunlich gut aus am Probentag eins, wer sich kurz verirrt, wird von irgendeinem Ellbogen in Position geschoben, "da geht's lang", bei reichlich Gelächter.

"Klappt scho"
Was meint also der Chef des "Fachvereins der Schäffler München", sitzt das, bis der Markus Söder zuschaut? "Klappt scho", sagt Wilhelm Schmid, der vom Rand aus seiner Truppe zuschaut, "ich mach des seit über 50 Jahren mit, ich bin da nimmer aufgeregt". Dass er nicht mehr mittanzt, liegt am Prolog des Münchner Kindls, das die Auftritte der Schäffler ankündigt, und da sagt: "Junge Burschen, frisch und keck..." - "Da kann ich mich mit meinen 65 nimmer hinstellen."

Die Jüngeren müssen ran
Es müssen also Jüngere ran, und die sind heute nicht mehr wie früher zwingend "Schäfflergesellen" und "ledig". Nur noch sieben sind Schäffler auch von Beruf. Beim Rest, sagt Schmid, "ist alles dabei, vom Banker bis zum Hausmeister". Es gibt nämlich nur noch einen letzten Fassmacherbetrieb in München, den von Wilhelm Schmid. Aber das ist eine andere Geschichte.

Am Donnerstag um 12 Uhr geht es los
Los geht's heute um 12 Uhr vor der Staatskanzlei am Franz-Josef-Strauß-Ring. Am Samstag um 10.30 Uhr treten die Schäffler am Marienplatz auf. Drumherum liegen acht Auftritte am Tag, bis sie am Sonntag um 19.30 Uhr vor dem Augustiner Stammhaus in der Neuhauser Straße 27 zum letzten Mal tanzen.
Mehr Infos und Termine unter: schaefflertanz.com
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Tradition seit 1517 - Woher kommt der Schäfflertanz?
Der Legende nach entstand der Schäfflertanz während der Pest-Epidemie 1517. Ein Fassmacher (in Altbayern: Schäffler) mobilisierte damals seine Zunftkollegen, die Münchner wieder aus den Häusern zu locken und Lebensfreude zurück zu bringen - mit einem Rundtanz, bei dem 20 Tänzer, ein Fähnrich, zwei Kasperl und zwei Reifenschwinger mit Tanzbögen ein lustiges Schauspiel aufführen.
Die Schäffler tanzen alle sieben Jahre, die Saison von Januar bis Fasching dauert dann knapp sechs Wochen, da absolvieren sie rund 400 Auftritte (zuletzt 2019). Warum sie nur alle sieben Jahre auftreten, ist nicht ganz klar. Den Turnus haben sie aber auch immer mal unterbrochen, zu den Olympischen Spielen 1972 etwa, als sie bei der Eröffnung tanzten, und zu ihrer 500-Jahr-Feier 2017.