83-Jährige kämpft um ihr Millionen-Erbe

MÜNCHEN - Eigentlich ist Anna W. eine reiche Frau. Weil ein Insolvenzverwalter ihr die zwei Millionen aber seit Jahren vorenthält, sagt sie: „Ich bin kaputt“
Anna W. sitzt in ihrem Wohnzimmer in der Lerchenau und ist am Ende ihrer Kräfte. „Ich bin kaputt, ich werde nur schikaniert!“ Eigentlich ist die 83-Jährige seit 2001 eine reiche Frau. Eigentlich. Doch noch immer muss sie mit 709,79 Euro Rente im Monat auskommen während das Finanzamt riesige Summen fordert. Denn sie kommt nicht an ihr Erbe von rund zwei Millionen Euro. Der Insolvenzverwalter hat es bisher nicht rausgerückt. Seine Sprecherin zur AZ: „Bei uns läuft alles rechtmäßig.“
Das ungewöhnliche Schicksal von Anna W. nahm am 19. August 2001 mit dem Tod ihres Arbeitgebers Carl K. seinen Anfang. Anna W. hatte ihn jahrelang aufopferungsvoll gepflegt. Dafür wollte sich der frühere Fabrikant revanchieren: Er vermachte seiner Betreuerin eine üppige Rente von 5000 Euro im Monat. Und den lebenslangen „Nießbrauch“ (Wohnrecht) in seinem Haus (AZ berichtete).
Weil Carl K. nicht nur wertvollen Grund und Boden, sondern auch einige Schulden hinterließ, meldete der Nachlassverwalter vorsichtshalber Insolvenz an. Das war der Zeitpunkt, in dem der durch die BenQ-Abwicklung bekannte Insolvenzverwalter Martin Prager von der Kanzlei Pluta auftauchte. Seitdem geht es Anna W. gar nicht mehr gut. Prager stoppte im Dezember 2005 die Rentenzahlungen an die Witwe, forderte die schon ausgezahlten 270000 Euro zurück und wollte ihr auch noch das testamentarisch vermachte Wohnrecht aberkennen lassen.
Das konnte Anna W.’s Anwalt Georg Fischer-Brunkow aus der Kanzlei Schönfelder Ziegler Lehners verhindern. Am 28. Dezember kam es zu einem Vergleich: Wenn die Grundstücke verkauft seien, so wurde vereinbart, wollte Prager die Witwe auszahlen. Verkauft wurden die Grundstücke dann im Herbst 2009.
„Der Nachlass ist seither mit Geldmitteln über 4,7 Millionen Euro liquide“, sagt Fischer-Brunkow. Das bedeutet, dass die Forderungen aller Gläubiger zu 100 Prozent erfüllt werden können. Und dass sogar noch ein dicker Batzen übrig bleibt. Der Anwalt: „Das gibt es sonst in keinem Insolvenzverfahren.“
Anna W. hilft das aber gar nichts. Denn Martin Prager hat bisher kein Geld an sie überwiesen – obwohl es ihr zweifelsfrei zusteht. Seine Sprecherin begründet das damit, dass gerade die Insolvenzmasse verteilt werde: „Frau W. steht in der Verteilungsliste an letzter Stelle, ist also eine nachrangige Vermächtnisnehmerin.“ Trotzdem werde man alles tun, um zu einer schnellen Verteilung zu kommen. Das – angeblich mit 8200 Euro pro Monat dotierte – Insolvenzverfahren läuft indessen weiter. Wegen noch laufender Mietverhältnisse sei ein Abschluss des Verfahrens „erst in der zweiten Jahreshälfte 2011 möglich“, so ein Pluta-Sachbearbeiter.
Für Anwalt Fischer-Brunkow ist das eine reine Hinhaltetaktik. Laut Insolvenzordnung müsse das Verfahren trotz laufender Mietverträge beendet werden.
Anna W. sagt: „Er schindet Zeit.“ Die jahrelangen Streitereien haben ihre Spuren hinterlassen: „Ich kann manche Nacht nicht schlafen.“ Kein Wunder: Ihr sitzt auch noch das Finanzamt im Nacken: Das will die Erbschaftssteuer für das Geld eintreiben, das Anna W. gar nicht hat. Pro Monat laufen 8000 Euro Stundungszinsen auf. In ihrer Not hat die alte Dame jetzt Amtsgerichtspräsident Gerhard Zierl geschrieben – er soll helfen, dass sie zumindest eine Abschlagszahlung bekommt.
Anna W. bleibt nur die Hoffnung. Die, dass sie die Auszahlung ihres Erbes noch erlebt. Rudolf Huber