40.000 Tauben: So will München das Problem lösen
München und die Tauben: 40.000 der Tiere leben in der Stadt. Was gegen die Plage helfen kann – und was nicht.
München - Die einen werfen Steine nach ihnen, die anderen füttern sie mit Brot und Körnern. Kein Tier spaltet München so sehr wie die Stadttaube. Am Dienstag sind die Vögel Thema im Stadtrat: Wie kann München der Taubenplage Herr werden? Das Problem drängt: In München leben schätzungsweise rund 40000 Tauben, die jährlich 480 Tonnen Kot produzieren.
Um was geht es in der Sitzung des Stadtrats genau?
Vor vier Jahren wurde das Referat für Umwelt und Gesundheit beauftragt, nach geeigneten Standorten für Taubenschläge und -türme zu suchen und zu prüfen, ob sich das erfolgreiche Augsburger Modell auch in München umsetzen lässt. Dabei werden die Tiere in speziellen Taubenhäusern gefüttert, versorgt und auf Krankheiten untersucht, die Eier durch Attrappen ausgetauscht – und damit die Population dezimiert.
Was kam bei der Untersuchung heraus?
Das Referat biss bei allen Anfragen auf Granit. „Deutlich erkennbar ist, dass es sehr starke Vorbehalte gibt”, sagt Referent Joachim Lorenz. Ein Grund, warum es an diesem oder jenem Standort nicht möglich sei, wurde von Bau- oder Kommunalreferat immer gefunden. Dabei sei das Problem der hohen Stadttaubenpopulation durch die Einrichtung von Taubenhäusern in den Griff zu bekommen, glaubt Lorenz.
Wo gibt es in München bereits private Taubenhäuser?
Auf dem Dach der Hypovereinsbank am Arabellapark, auf einem Wohnheim in Freimann und auf dem Karstadt-Gebäude an der Münchner Freiheit. Letzteres wird vom Tierschutzverein betreut und finanziert. Hier leben seit August rund 150 Tauben. Auch in der Allianz Arena sowie in einem Seniorenheim sind Taubenschläge geplant. Mit Viktualienmarkt-Anwohnern laufen Gespräche.
Wie geht es weiter?
„Eine grundsätzliche Lösung des Taubenproblems in München ist derzeit noch nicht in Sicht”, sagt Joachim Lorenz. Durch die privaten Projekte zeichne sich jedoch eine „erfolgreiche Perspektive” ab. Das städtische Veterinäramt regt eine nochmalige Überprüfung der Standorte an.
Kann man die Tiere umsiedeln?
Auch dieser Frage widmet sich die Stadtratsvorlage. In einem Pilotprojekt hat man das vor drei Jahren am Hauptbahnhof versucht. Von den 700 Tauben wurde ein Großteil auf einen Hof in der Nähe von Passau gebracht. Einige kehrten jedoch von der neuen Heimat wieder in die alte zurück. Das Projekt wurde nicht weitergeführt, weil es zu teuer war.
Was kostet die Umsiedlung? Eine nicht realisierte Umsiedlung an der Münchner Freiheit sollte 54000 Euro für ein Jahr kosten. Das sei zu teuer.
Kann man die Tauben fangen, abschießen oder vergiften?
Die Erfahrung zeige, dass diese tierquälerischen Methoden das Taubenproblem nicht lösen können. Zudem würden so auch andere Vögel getötet.
Hilft eine Taubenpille?
Dabei handelt es sich um eine Antibaby-Pille, bei der sich jedoch nicht kontrollieren lässt, welches Tier wie viel aufpickt. Die stärksten Tiere, die mehr fressen, vergiften sich damit.
Das Tierschutzgesetz verbietet es, Tieren Futter zu geben, das ihnen Leid zufügt.
Warum siedelt man keine Greifvögel an?
Das hat man am Dom probiert. Doch Wanderfalken und Habichte, die natürlichen Feinde der Tauben, können sich dem Leben zwischen Asphalt und Häusern nicht anpassen. Die Stadt will Nisthilfen für die Greifvögel anbringen. Sie können den Bestand aber nur wenig dezimieren.
Ist Tauben füttern verboten?
Ja, in München seit 1996. Verstöße kosten bis zu 1000 Euro.
Warum soll man nicht füttern?
Wegen der regelmäßigen, aber einseitigen Fütterung besteht für die Tiere keine Notwendigkeit mehr, sich auf Nahrungssuche zu begeben. Stattdessen brüten sie mehr, sitzen dicht aufeinander. Das macht sie anfällig für Krankheiten.
Was kann ich gegen Tauben auf meinem Balkon tun?
Zum Abwehren kann man alles benutzen, was sich bewegt und Geräusche macht. Binden Sie einige CDs zusammen oder nehmen Sie Streifen aus Alufolie. Nur sollten Sie die Sachen ab und zu umhängen, da sich die Tiere sonst daran gewöhnen.
Schrecken Häuser Kunden ab?
Im Isartor:
„Die Einrichtung eines Taubenschlages könnte nur unter hohem finanziellen Aufwand durch Auf- und Abbauten erfolgen“, teilt das Baureferat mit. Wegen des Denkmalschutzes sei dies aber ausgeschlossen.
Tonnenhaus am Viktualienmarkt: „Da Tauben von einem Großteil der Bevölkerung missliebig betrachtet werden (Ekel-Effekt), ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass hierdurch Kunden vom Einkauf abgehalten werden“, meint das Kommunalreferat.
Im Sendlinger Tor:
Nicht geeignet, zu aufwändig, urteilt das Baureferat. Grünanlagen Münchner Freiheit: „Unter Berücksichtigung des besonderen Schutzbedürfnisses von Kindern und aus hygienischer Sicht kann die Aufstellung nicht akzeptiert werden“, so das Baureferat. Rathaus und Stadtmuseum: Dazu liegt bislang keine Stellungnahme vor.
Stadt und Tierschützer müssen endlich kooperieren
Sie stehen für den Heiligen Geist, Liebe und Frieden. Die Pärchen sind in lebenslanger Monogamie zusammen, ziehen gemeinsam die Kinder groß. Intelligenztests, in denen Gegenstände in Räumen erkannt werden sollen, lösen sie schneller als der schlaueste Mensch. Klingt sympathisch, oder? Trotzdem: Bei Tauben denken die Menschen an Krankheiten und aggressiven Kot.
Doch sie sind ein vom Menschen geschaffenes Problem: verwilderte Haustauben, die sich den harten Lebensbedingungen in der Stadt angepasst haben. Taubenmassaker sind nicht die Lösung, das hat auch die Stadt erkannt. Stattdessen muss ein Zusammenleben angestrebt werden.
Es liegt auf der Hand: Taubenhäuser, bezahlt von der Stadt, betrieben von Tierschützern. Doch keiner will die Taube auf seinem Dach haben. Stattdessen überlässt man nicht nur Finanzierung und Betreuung den Tierschützern, sondern auch die Standortsuche. Als hätte die Stadt nicht genug Gebäude, auf die man noch eins draufsetzen kann – wenn man nur wollte. Jasmin Menrad
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