40.000 sagen "Nein"

Die Menge ruft: „Abschalten, abschalten!” Der Andrang bei der friedlichen Demo am Odeonsplatz ist so groß, dass die Polizei Straßen und U-Bahnzugänge sperrt.
von  Christian Pfaffinger

MÜNCHEN Um 15 Uhr muss die Polizei für mehrere Stunden die Straßen rund um den Odeonsplatz abriegeln, auch die überfüllten U-Bahn-Ausgänge werden zeitweise geschlossen. Nichts geht mehr. 40000 Menschen stehen dicht an dicht vom Odeonsplatz bis zur Staatsbibliothek. Es sind viel mehr, als erwartet wurden. Trotz Regen. In Sprechchören schallt’s: „Abschalten! Abschalten!” Dazu Rasseln, Trillerpfeifen und Vuvuzelas.

In ganz Deutschland protestieren am Samstag nach der Atomkatastrophe in Japan rund eine Viertel Million Menschen gegen die Atompolitik der Bundesregierung. Es ist die größte Anti-Atom-Demo, die es in Deutschland je gab, sagen die Veranstalter. Ein Bündnis aus Verbänden, Gewerkschaften, Parteien und Bürgerinitiativen hat zu den Protesten aufgerufen.

Junge und alte Menschen sind gekommen, Mütter mit ihren Kindern, bunt bemalte Studenten und Schüler mit Luftballons, gelbe Fahnen mit der Aufschrift „Atomkraft? – Nein danke” flattern im Wind.

In München fängt es pünktlich zum Start der Demo um 14 Uhr zu regnen an. Trotzdem strömen die Menschen zum Odeonsplatz. Das freut vor allem Florian Sperk. Der 26-Jährige ist einer der Hauptorganisatoren des Protests in München. „Die Leute sind entschlossen und tapfer”, sagt er: „Wir lassen uns nicht verschaukeln.” Sperk glaubt, dass die Proteste „Deutschlands Zick-Zack-Kurs” beenden können. Die Politik sei ratlos. „Die Regierung hat Angst – und die haben wir ausgelöst.”

Leider werden die Sprechchöre immer wieder zu schnell vom nächsten Redner unterbrochen. Dabei jubeln die meisten Demonstranten den Rednern zu, die die schwarz-gelbe Regierung scharf kritisieren. Vor allem Kabarettist Urban Priol teilt heftig aus. Er nennt Bundeskanzlerin Angela Merkel „Lady Gaga” und Guido Westerwelle einen „Dead Man Walking”. Die Regierung spalte sich in zwei Lager: „Die einen haben den Überblick verloren und die anderen haben nie einen gehabt.”

Beim Auftritt der Band „The Notwist” um kurz nach vier löst sich die Demo langsam auf. Alles ist friedlich geblieben. Es gebe keine Verletzten und niemand musste festgenommen werden, meldet die Polizei in München. Da kommt wieder die Sonne lachend hinter der Theatinerkirche hervor, die Demonstranten klappen die Schirme zu. Am König-Ludwig-Denkmal hüpfen zwei Mädchen in einer Pfütze und rufen „Abschalten! Abschalten!” Sie haben Spaß. „Wir haben Angst”, sagen ihre Eltern. Wie viele andere haben sie für die Zukunft ihrer Kinder demonstriert.

Münchens SPD-Chef Ulrich Pfaffmann freut sich über den „Riesenerfolg”: „Der Zusammenhalt aller atomkritischen Kräfte macht uns stark. Wir wollen erneuerbare Energien statt Atomkraftwerke – sofort!”

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