Interview

40 Jahre Modellbauer im Deutschen Museum: "Mit den Kräften der Natur"

Der Modellbauer Franz Huber arbeitet seit 1981 im Deutschen Museum. Ein Gespräch über das Fliegen, Miniaturen und Rastlosigkeit.
von  Hüseyin Ince
Franz Huber an seinem Schreibtisch, im Nordflügel des Deutschen Museums. Hier wird erst recherchiert und gezeichnet, wie das Modell später aussehen soll. Die Bilder an den Wänden: Ein Segelboot, das Huber täglich die Kraft der Natur vor Augen führt (l.) und der Wright Flyer (r.), eines der Lieblingsprojekte des Modellbauers.
Franz Huber an seinem Schreibtisch, im Nordflügel des Deutschen Museums. Hier wird erst recherchiert und gezeichnet, wie das Modell später aussehen soll. Die Bilder an den Wänden: Ein Segelboot, das Huber täglich die Kraft der Natur vor Augen führt (l.) und der Wright Flyer (r.), eines der Lieblingsprojekte des Modellbauers. © Daniel von Loeper

München - Der gebürtige Dachauer Franz Huber leitet im Deutschen Museum die Abteilung, in der er vor etwa vier Jahrzehnten einer der jüngsten Mitarbeiter gewesen ist. Der AZ erzählt er, was man im größten naturwissenschaftlichen Museum der Welt mit kleinen Modellen über Menschen so alles lernen kann.

Detailgetreue Miniaturen für Ausstellungen des Deutschen Museums

AZ: Herr Huber, was genau macht man eigentlich als Modellbauer?
FRANZ HUBER: Wir erstellen Miniaturen für die Ausstellungen des Deutschen Museums. Detailgetreu. Und wenn Sie etwas besonders Kleines zeigen wollen, bauen wir Vergrößerungen nach.

Und das machen Sie jetzt seit sage und schreibe 40 Jahren?
Mir war das nicht so bewusst. Wenn Sie mich fragen, bin ich gefühlt erst zehn Jahre dabei.

Huber liebt seinen Beruf so sehr, dass er vielleicht gar nicht in Rente geht

Woran liegt das?
Daran, dass ich meinen Beruf liebe. Ich fahre jeden Tag gerne ins Deutsche Museum. Ich habe tolle Kolleginnen und Kollegen und einen Beruf, der mich schon immer fasziniert hat. Es ist so etwas wie ein Idealzustand. Ich genieße es.

Sie sind jetzt 62. Höre ich das richtig heraus? Mit 65 werden Sie dann nicht in Rente gehen?
Eigentlich heißt es ja, man soll aufhören, wenn es am schönsten ist. Mal sehen, was die Zeit bringt. Noch weiß ich nicht, was ich im Rentenalter mache. Aber wenn ich weiterhin gesund bleibe und auch in Zukunft so gerne arbeite, werde ich weitermachen.

In der Pharmazieabteilung im Deutschen Museum kann man eine Zelle begehen. Auch an diesem großen Ausstellungsstück ist Franz Huber beteiligt gewesen.
In der Pharmazieabteilung im Deutschen Museum kann man eine Zelle begehen. Auch an diesem großen Ausstellungsstück ist Franz Huber beteiligt gewesen. © Daniel von Loeper

Eimerkettenbagger war Hubers erstes selbstgebautes Modell

Sie sind seit 1981 dabei. Was war Ihr erstes Modell, das Sie gebaut haben?
Ein Eimerkettenbagger im Modell vom Braunkohle-Tagebau. Maßstab 1:200. Er war beschädigt, ich musste ihn neu aufbauen.

War das schwierig?
Das Gerät zu löten, die exakten Formen zu erzeugen, das war dabei die große Kunst. Materialien verhalten sich im kleineren Maßstab ganz anders und sind oft schwieriger zu bearbeiten.

Wo steht der Bagger heute?
Irgendwo im Keller. In einem unserer vielen Depots.

Das Faszinierende an dem Beruf: Die Präzision

Was fasziniert Sie an Ihrem Beruf?
Präzision im Kleinen. Und die verschiedenen Materialien. Alle haben einen eigenen Charakter.

Was ist Ihr Lieblingsmaterial?
Holz. Es ist so vielseitig einsetzbar. Auch privat arbeite ich am liebsten damit.

Der Wright Flyer, ein Meilenstein der Fluggeschichte. Die Miniatur entstand 2003 zum hundertjährigen Jubiläum des ersten Fluges, mit einem Piloten, der auf dem Bauch lag.
Der Wright Flyer, ein Meilenstein der Fluggeschichte. Die Miniatur entstand 2003 zum hundertjährigen Jubiläum des ersten Fluges, mit einem Piloten, der auf dem Bauch lag. © Daniel von Loeper

Was haben Sie zuletzt aus Holz gebaut?
Mein Blockhaus, in Ried bei Mering, in der Nähe von Augsburg. Ich habe mir nur die Außenschale hinstellen lassen. Der Innenausbau stammt komplett von mir, vom Keller bis zum Dach. Als Erstes habe ich mir eine schöne große Werkstatt gebaut, im Keller, angeböscht, mit Blick nach Süden.

Im Deutschen Museum arbeitet er manchmal an 30 Projekten parallel

Sie arbeiten den ganzen Tag in der Modellbau-Werkstatt des Deutschen Museums, fahren nach Hause, um wieder in die Werkstatt zu gehen, in Ihre private?
Ja (schmunzelt).

Und was machen Sie dann da?
Es ist so, ich plane hier im Museum bis zu 30 Projekte parallel. Das ist viel Verwaltung und Recherche. Da fehlt mir manchmal das Arbeiten mit den Händen.

Und das holen Sie dann daheim nach?
Ja, ich habe da einen wunderschönen Maschinenpark in meinem Keller. Kreissäge, Hobelmaschine, Tellerschleifmaschine, Fräse, Drehmaschine...

...was bauen Sie damit?
Zur Zeit arbeite ich an der Belüftung, am Flach-Skimmer für den Teich, den ich angelegt habe. Dafür baue ich Scharniere und Hülsen (lächelt und schnappt nach Luft).

"Die Couch ist schon verlockend, aber ich habe permanent Ideen"

Ehrlich gesagt: Sie klingen ein bisserl rastlos.
(kleinlaut) Manche sagen das.

Miniatur der Montgolfière. Eines der ersten Projekte von Franz Huber aus dem Jahr 1983.
Miniatur der Montgolfière. Eines der ersten Projekte von Franz Huber aus dem Jahr 1983. © Daniel von Loeper

Was sagen Sie?
Es ist so. Zu Hause sitzen und nichts tun, sowas kenne ich nicht, das ist nicht meins. Die Couch ist schon verlockend. Aber ich habe permanent Ideen.

Und was bauen Sie dann?
Ferngesteuerte Segelflugzeugmodelle zum Beispiel. Erst zeichne ich sie, dann baue ich sie im Keller und lasse sie fliegen.

"Alles mit eigenen Händen geformt und verarbeitet"

Ohne Motor?
Ohne Radau, ohne Lärm, nur mit Thermik, mit den Kräften der Natur. Sie sind aus Holz und haben eine Spannweite von etwa 1,5 Metern.

Wie viele solcher Flieger haben Sie gebaut?
Zwölf, am 13. bin ich jetzt dran.

Eigenkonstruktionen?
Ja, das ist der Reiz. Kohlefaserrumpfrohre, Balsaholzflächen. Alles mit eigenen Händen geformt und verarbeitet. 150 bis 160 Gramm wiegen die Flugzeuge am Ende.

Huber konstruiert Segelflieger lieber als zu fliegen

Reizt Sie das Fliegen?
Ich bin mal in einem Segelflugzeug mitgeflogen. Das war schön. Aber mich reizt das Konstruieren viel mehr. Und wenn segeln, dann auf dem Wasser. Das entspannt.

Na gut, was reizt Sie dann am fliegen lassen?
In der Natur zu sein, sich mit ihr auseinanderzusetzen, sie zu beobachten, zu erkennen, wo sich die nächste Thermikblase löst und Auftrieb entsteht, um einen Segelflieger steigen zu lassen.

Und wo sind solche idealen Flecken mit Auftrieb?
Das ist unterschiedlich. Am Hang oder über einem Kornfeld zum Beispiel. Da erkennen Sie Luftkreise an der Bewegung der Halme.

Seit inzwischen 40 Jahren im Deutschen Museum

Welchen Beruf haben Sie eigentlich erlernt?
Ich bin ausgebildeter Gießereimodellbauer. Angefangen habe ich 1978 bei BMW. Dort bezogen wir Armaturenbretter. Ich habe bei der Firma Schröter eine Ausbildung zum Gießereimodellbauer absolviert, bin anschließend zu BMW in den Bereich Kunststoff- und Klebetechnik.

Ein Arbeitgeber, der schon immer sehr begehrt ist.
In so großen Unternehmen sind Sie nur eine Zahl, das war nichts für mich. Ich bin auf dem Land aufgewachsen, bei Dachau. Mir ist es wichtig, als Mensch wahrgenommen zu werden, ein überschaubares Umfeld zu haben. Bei BMW spürte ich schnell, dass ich dort nicht ewig arbeiten würde, auch wenn ich damals im Deutschen Museum netto 1.000 Mark weniger verdient habe.

Zurück ins Museum. Was hat sich im Vergleich zu früher geändert, nach 40 Jahren?
Natürlich die Herstellungstechnik. Heute haben Sie unendliche Möglichkeiten durch 3D-Druck und CNC-Technik. Damals war das noch anders, etwas einfacher gestaltet. Heute muss jeder am Computer Gegenstände designen können. Wichtig ist, über den Tellerrand zu schauen und andere Firmen zu besuchen, um sich fortzubilden. Auch bei Brillenherstellern kann man viel lernen.

"Wir können auch eine Schweinsblase verarbeiten"

Und was noch?
Bis 1992 hatten wir keine Kolleginnen. Mittlerweile besteht die Hälfte des Teams aus Frauen. Das ist sehr positiv für die Arbeitsatmosphäre, finde ich.

Welche Materialien verwenden Sie im Modellbau?
Fast alles. Von der Schweinsblase bis Leder, Tierknochen, Papier, Holz, Leder, Kunststoff ... Wir können alles verarbeiten.

Wie bitte, Schweinsblase? Was macht man damit?
Um ein Floß nachzubilden zum Beispiel. Wir füllten die Blase mit Luft und setzten darauf ein Floß im Maßstab eins zu fünf.

Der Modellbauer arbeitet nach dem Motto: "so klein wie nötig"

Arbeiten Sie mit festen Maßstäben?
Nein, das Motto ist: so klein wie nötig. Es kommt immer darauf an, was Sie mit dem Objekt zeigen wollen. Und wichtig ist, dass alles so gebaut wird, dass der Besucher alle Informationen erkennen kann. Im Optimalfall immer mit den Originalmaterialien.

Der 3D-Druck hilft ihnen bestimmt sehr, oder?
Natürlich. Aber das funktioniert nur bis zu einem bestimmten Maßstab. Die Oberflächen werden nicht immer so, wie man sie haben möchte.

An welche Objekte, die Sie in den letzten 40 Jahren für das Deutsche Museum gebaut haben, erinnern Sie sich am stärksten?
An die Körperzelle in der Pharmazie, den Nachbau des Benz-Motorwagens, das Normandie-Modell im Brückenbau, das Tatort-Diorama in der Chemie, die Demonstration zum Vogelflug - und natürlich das Modell des Wright Flyers, mit dem die Gebrüder Wright ihren ersten größeren Hüpfer gemacht haben.

"Der Hebel hatte nur zwei Positionen: Vollgas oder Leerlauf"

Da wären wir wieder beim Thema Fliegen.
Der Wright Flyer war ein tolles Teamprojekt zum hundertjährigen Jubiläum des ersten Fluges. Eine Gemeinschaftsleistung mit Kolleginnen und Kollegen mit verschiedenstem Fachwissen: Feinmechaniker, Schreinermeister, Metalltechnikerin, eine Goldschmiedin, zwei Modellbauerinnen. Zwei haben sich um die Flächen gekümmert, einer hat den Motor gebaut, einer den Antrieb, einer kümmerte sich um den Tank, ein anderer ums Leitwerk. Jeder Beschlag, jedes Rad, auch die Kette ist nicht käuflich. Das gibt es so sonst nirgendwo.

Was lernt man aus solchen Projekten?
Wie die Brüder Wright etwa getickt haben.

Und wie tickten Sie?
Der Gashebel hatte nur zwei Positionen: Vollgas oder Leerlauf. Man könnte auch sagen: alles oder nichts, um erst gar nicht in die Versuchung zu kommen, zu wenig Gas zu geben. Ich glaube, so haben sie ihre eigene Angst überlistet.

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