30 Prozent mehr: Händler in Großmarkthalle bluten

Die Stadt will die Mieten in der maroden Halle in der Thalkirchner Straße kräftig erhöhen – vorerst aber nichts sanieren. Heute entscheidet darüber die Vollversammlung des Stadtrats
Gesa Borgeest |
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Ist stocksauer: Obst- und Gemüsehändler Günther Wachola.
Daniel Loeper Ist stocksauer: Obst- und Gemüsehändler Günther Wachola.

MÜNCHEN Es ist noch dunkel. München schläft, die Ampeln sind noch ausgeschaltet – und doch ist Günther Warchola hellwach. Seine Hose ist gefüttert, sein Hut aus Filz, seine Schultern von der Arbeit breit. In der alten, imposanten Großmarkthalle an der Thalkirchner Straße verkauft er Obst und Gemüse, wie schon seine Großmutter und sein Vater vor ihm. Doch heute ist der 57-Jährige fassungslos. Für seinen Stand soll er jetzt mehr Miete zahlen – 30 Prozent mehr, um genau zu sein.

Die Mieterhöhung schlug das Kommunalreferat am Montag dem Stadtrat vor, heute in der Vollversammlung soll sie beschlossen werden: Pro Quadratmeter drei Euro mehr, insgesamt also 12,50 Euro ab Januar. Und das, obwohl die Halle renovierungsbedürftig ist. Denn die Wege zu den Lagerhallen sind lang, die Kühlungen in den Verkaufsräumen kaum vorhanden, die Toiletten stinken, ein Schild warnt vor losen Deckenteilen.

Als das Server-System zu schimmeln droht, renoviert die Stadt nicht – sie deckt lediglich ab – mit ein paar Plastikplanen. Wegen der schlechten Logistik wird zwei bis drei Mal mehr Personal gebraucht als bei Münchens größter Konkurrenz, der Großmarkthalle in Verona. Zwar werden Gespräche wegen eines Um- oder Neubaus schon lange geführt, doch friert den Händlern weiter der Salat ein, finden Kunden weiter keine Parkplätze, verstopfen weiterhin die Toiletten. „Es ist zum Haare raufen”, sagt ein Händler, als er Kartoffelsäcke hievt. Und streicht sich gedankenverloren über seine Glatze.

Eine Begründung für die steigenden Mieten seien die der anderen Städte. In Berlin kostet ein Quadratmeter 12,25 Euro, in Mannheim 14,70 Euro. Warum man das so nicht sehen könne, erklärt Warchola: „In diesen Städten ist die Logistik eine ganz andere. Dort gibt es Rampen für Kunden und Lieferanten, alles ist überdacht und die Kühlung ist im Mietpreis enthalten.” Dafür würde auch er gerne 13 Euro zahlen.

Der zweite Grund für die Mietpreiserhöhung sei, dass das zusätzliche Geld später für die Sanierung verwendet werden soll. Was ungewöhnlich ist. Normalerweise gilt: Erst renovieren, dann erhöhen. Auch die Kunden der Großmarkthalle wird die Mieterhöhung treffen. Denn wird ein Früchtestand teurer, steigt auch der Pampelmusenpreis. Die Kunden? Das sind vor allem kleine Obst- und Gemüseläden. Bereits jetzt kämpfen sie tapfer gegen die Konkurrenz der Supermärkte, doch je höher die Preise, desto eher bleibt dem Laden ums Eck die Kundschaft aus.

Warchola und seine Kollegen, die er liebevoll Familie nennt, haben geschrieben: An den Stadtrat und an das Kommunalreferat. Sie erklären, sie fragen, sie artikulieren.
Vor allem aber wollen sie eine Stimme haben, die auch gehört wird. Denn momentan scheint es ihnen, als wäre morgens in der Großmarkthalle nicht nur der Himmel dunkel – sondern bald auch die Zukunft des Münchner Gemüsehandels.

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