244 Neuankömmlinge pro Tag: Zelte für Flüchtlinge?

Lange galt es als Tabu, Flüchtlinge in Zelten schlafen zu lassen. Doch jetzt planen neben München auch die Landkreise Starnberg, Freising und Ebersberg mit „Traglufthallen“ für Asylbewerber, weil geeignete Quartiere fehlen.
von  Natalie Kettinger
Notlösung im Herbst 2014: Vorübergehend ziehen Flüchtlinge ins Camp „The Tent“.
Notlösung im Herbst 2014: Vorübergehend ziehen Flüchtlinge ins Camp „The Tent“. © dpa

München - Bis Ende Mai sind heuer so viele Flüchtlinge in München angekommen wie im gesamten Jahre 2014: Mehr als 35.000 Frauen, Kinder und Männer haben in der bayerischen Hauptstadt Schutz gesucht – und täglich treffen im Schnitt 244 weitere Menschen ein.

Menschen, die ein Dach über dem Kopf benötigen. Doch geeignete Unterkünfte sind Mangelware, auch im Umland. Die Stadt und der Landkreis München haben deshalb bei der Regierung von Oberbayern angefragt, ob sie Zelte für die Asylbewerber aufstellen dürfen. Dieselbe Bitte kam aus den Landkreisen Starnberg, Freising und Ebersberg.

Wer München erreicht, wird in der dortigen Erstaufnahmeeinrichtung registriert und dann einer Gemeinschaftunterkunft im Umland zugewiesen – normalerweise. Doch viele Kommunen finden keine geeigneten Gebäude mehr. Deshalb werden seit geraumer Zeit Schulturnhallen in Flüchtlingsheime umgewandelt: in Vaterstetten, Laufen, Freilassing, Passau, Neu-Ulm, um nur einige zu nennen.

Kommenden Montag sollen 200 Menschen in der Dreifachturnhalle des Planegger Feodor-Lynen-Gymnasiums untergebracht werden. In die Sporthalle der Freisinger Wirtschaftsschule werden ab 1. Juli 120 Asylbewerber einziehen.

„Die Regierung von Oberbayern ist für den Betrieb der Erstaufnahmeeinrichtung München inklusive aller Dependancen sowie für die Unterbringung der Asylbewerber in mittlerweile 30 Gemeinschaftsunterkünften in Oberbayern verantwortlich“, heißt es auf AZ-Anfrage. „Daneben betreiben die oberbayerischen Landkreise zirka 1000 dezentrale Unterkünfte in eigener Verantwortung sowie einige Not-Unterkünfte.“

Trotzdem herrscht offenbar derart akuter Platzmangel, dass man nun erneut erwägt, was lange als Tabu galt: die Flüchtlinge in Zelten schlafen zu lassen. Ein Plan, der schon einmal auf dem Gelände der Bayernkaserne verwirklicht werden sollte, dann aber verworfen wurden. Man wich lieber auf leerstehende Garagen aus. Bislang griff man in München überhaupt nur ein einziges Mal zu dieser Maßnahme: Im Herbst 2014 quartierte die Regierung von Oberbayern vorübergehend Flüchtlinge im Jugendcamp „The Tent“ ein. Die charmante Anlage des Kreisjugendringes München-Stadt am Kapuzinerhölzl war für viele Flüchtlinge, die der überfüllten Bayernkaserne entkommen waren, geradezu eine Wohltat.

Doch was nun avisiert ist, hat damit nur wenig zu tun: Beantragt wurden „Traglufthallen“, riesige, oft kuppelförmige Zelte mit luft- und wasserdichter Hülle, in denen mehrere Hundert Menschen Platz finden. Sichtschutzwände garantieren lediglich ein Minimum an Privatsphäre. Eine dieser Plastikhallen soll laut „SZ“ auf dem Feierwerkgelände an der Hansa-Straße entstehen, eine weitere in Taufkirchen. Die Regierung von Oberbayern drängt darauf, dass die Zelte spätestens Mitte Oktober wieder abgebaut werden. Denn dann drohen Herbststürme wie „Gonzalo“: Das Unwetter zerstörte vergangenes Jahr in Nürnberg mehrere Festzelte, in denen knapp 200 Flüchtlinge um ihr Leben bangten. Die völlig verunsicherten Menschen mussten von Polizei und Rettungskräften in Sicherheit gebracht werden.

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