22 Jahre nach Doppelmord: Polizei sucht Zeugen

1990 werden Viktor Vidovic und Gerhard Marx von Unbekannten in ihrem Büro in der Lerchenau erschossen – jetzt bittet die Kripo um Hinweise in der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY“.
Lerchenau - Die Männer hatten nicht mal Zeit, aufzustehen. Sie sitzen vornübergebeugt in ihren Sesseln. Gerhard Marx (47) hält noch sein Wurstbrot in der Hand, aus seinem Mund rinnt Blut. Im Aschenbecher qualmt die Zigarette seines Geschäftspartners Viktor Vidovic (43). Er hat ein Loch in der Schläfe.
4. Dezember 1990, 11 Uhr. Die zwei Männer sind erst seit wenigen Minuten tot. Und die, die sie gerade entdeckt haben, geraten in Panik – Niyaz Turan (damals 20) und Niyaz Fevzi (24) Jetzt fliehen sie aus dem Büro der Autohändler auf die Moosacher Straße. Sie wollten eigentlich ihr Auto verkaufen. Jetzt rufen sie die Polizei.
22 Jahre später ist der Doppelmord aus der Lerchenau noch immer ungeklärt. Jetzt startet die Münchner Kripo einen neuen Versuch – in der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY“ (Mittwoch, 20.15 Uhr).
Der Fall ist spektakulär – damals wie heute. Die Toten sind zwielichtige, aber schillernde Figuren. Viktor Vidovic ist wegen Autoschiebereien und Betrug polizeibekannt. Er fährt einen Mercedes 500 SEL, hat immer 100 000 Mark in Bar dabei und trägt eine 60 000 Mark teure Rolex „Day Date“ aus 18-Karat-Gelbgold. Er hat sie nachträglich mit Brillanten am Ziffernblatt und an der Lunette verzieren lassen. Der gebürtige Kroate lebt mit Frau, Tochter (6) und Sohn (1) in Ramersdorf.
Gerhard Marx ist gebürtiger Pole mit deutschem Pass. Kurz vor dem Mord plant er seine Hochzeit. Auch er ist vorbestraft – wegen fingierter Unfälle, organisiertem Autodiebstahl, Frisieren von Autopapieren und Einbrüchen. 1989 eröffnen die beiden ihren Gebrauchtwagenhandel in der Moosacher Straße 33c. Dort verkaufen sie vor allem gebrauchte Luxusautos: Benz, BMW, Porsche.
Nach der Tat gibt es zwei Theorien. Die erste lautet: Abrechnung im Autoschiebermilieu. Die zweite: Raubmord. Beide haben noch heute ihre Berechtigung. Marx und Vidovic könnten einer Autoschieberbande in die Quere gekommen sein. Vidovic soll laut Freunden vor der Tat nervös gewesen sein, habe vom bevorstehenden „Geschäft seines Lebens“ gesprochen. Angeblich geht es um 300 000 Mark.
Die Tat wirkt wie eine Hinrichtung: Der oder die Täter haben Marx und Vidovic eine Waffe mit Schalldämpfer an den Kopf gesetzt. Vidovic jagen sie zwei Kugeln in die Schläfe, Marx zwei in den Mund. Die noch brennende Zigarette beweist, dass sie von 10.50 bis 10.55 Uhr im Büro waren. Möglich ist aber auch ein Raubmord: Nach der Tat ist Vidovics Geld verschwunden. Und seine Rolex.
Sie „könnte vielleicht zur Klärung“ beitragen, sagt Andreas Gollwitzer vom Kommissariat zur Bekämpfung von Organisierter Kriminalität. Auch interessant: die Tatwaffe. Vier Hülsen und Kugeln vom Kaliber 7,65 lagen am Tatort. Sie wurden aus einer französischen Militär-Pistole aus den 30ern abgefeuert. Sie wurde während des Zweiten Weltkriegs Krieg auch von jugoslawischen Partisanen benutzt – vielleicht eine Verbindung zu Viktor Vidovics Heimat. Für sie gibt es seit den 50ern keine Munition mehr. Der oder die Täter haben deshalb „Revolvermunition der finnischen Firma Lapua manipuliert“, sagt Staatsanwalt Benjamin Lenhart. Das „erfordert handwerkliches Geschick“.
Die Polizei bittet um Hinweise unter 0800/776 6310. Lenhart: „Wir hoffen, dass wir Ende der Woche schlauer sind.“