20 Jahre alte Pullover-Posse vor Gericht

Wegen eines 89 Mark teuren Textils, soll ein 54-Jähriger zum Räuber geworden sein. Doch die Tat liegt Jahre zurück. Alle damals Beteiligten haben Probleme, sich zu erinnern.
von  John Schneider
Das Pullover-Streitobjekt.
Das Pullover-Streitobjekt. © az

Wegen eines 89 Mark teuren Textils, soll ein 54-Jähriger zum Räuber geworden sein. Doch die Tat liegt zwanzig Jahre zurück. Alle damals Beteiligten haben Probleme, sich an Details zu erinnern.

München Hans K. (54, Name geändert) verstand die Welt nicht mehr, als er im März diesen Jahres bei der Einreise nach Deutschland festgenommen wurde. Dass er vor etwa 20 Jahren einen Mann mit dem Messer bedroht haben soll, um an einen Pullover zu gelangen und ein Haftbefehl wegen schweren Raubes gegen ihn existierte, scheint der 54-Jährige verdrängt zu haben.

 

Nach feuchtfröhlicher Geburtstagsfeier schlug die Diebin zu


Aber von Anfang an: Hans K. feierte am 15. März 1995 Geburtstag. Mit Freunden und Bekannten wurde der Anlass ausgiebig in einer Kneipe begossen. Eine seiner Begleiterinnen ist dann, nachdem sie die Kneipe verlassen hatten, auf die Idee gekommen, einen Pullover, der auf einem Ständer vor einem Textilgeschäft in der Landwehrstraße hing, zu stehlen.

Das schöne Stück hätte 89 Mark kosten sollen. Der Ladenbesitzer soll von seiner Frau auf den Diebstahl aufmerksam gemacht worden sein und stürzte der Diebin hinterher. Tatsächlich gelang es ihm laut Anklage, die Frau zu stellen und ihr den Pullover abzunehmen. Doch damit war die Sache noch nicht ausgestanden.

Plötzlich sah sich der Ladeninhaber den vier Begleitern der Frau gegenüber. Die behaupteten frech, der Pullover sei ordnungsgemäß gekauft und bezahlt worden und verlangten, dass der Mann den Pullover zurückgebe. Das tat dieser angesichts der Übermacht.

Doch aufgeben wollte der Ladenbesitzer noch nicht. Er verfolgte die Gruppe und als die vier Begleiter etwas zurückblieben, ging er erneut auf die Diebin zu und nahm ihr den Pullover wieder ab.

Als er damit zu seinem Geschäft zurückkehren wollte, wurde er jedoch erneut aufgehalten. Einer der vier soll ihn dann am Kragen gepackt und gegen eine Wand gedrückt haben. Der Pullover wurde ihm entrissen, während Hans K. ein Messer zückte und auf das Opfer richtete. Der Mann hatte Angst und wehrte sich nicht mehr.

 

Der Angeklagte machte vor Gericht keine Angaben zu dem Fall



Hans K. machte gestern vor Gericht keine Angaben. Seine Begleiterin gibt vor, keinerlei Erinnerung an den Vorfall zu haben. „Sie können mich auf den Kopf stellen, aber ich weiß es nicht mehr“, erklärte sie im Zeugenstand. Immerhin gab sie zu, dass sie sich eine solche Tat durchaus zutraue. „Ich habe damals exzessiv getrunken.“

Auch die Frau des Ladenbesitzers hatte keine Erinnerung mehr an den Tattag. Bei den ermittelnden Polizisten werden die Frauen mit ihren Gedächtnislücken auf Verständnis hoffen können. Auch bei den Ermittlern ist nach zwanzig Jahren kaum noch mit konkreten Erinnerungen zu rechnen. dazu sollen auch Teile der Ermittlungs-Akten von damals bereits vernichtet worden sein.

Der Prozess wird fortgesetzt.

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