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1921 klein gestartet, heute besonders groß: Eine Münchner Erfolgsgeschichte

1921 wurde im Glockenbachviertel die Schreinerei Würzburger gegründet. Sie überstand alle Krisen und ist heute die modernste und größte Schreinerei in der Stadt.
Nina Job
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Seniorchef Ralf Hinderer (M.) mit seinem Sohn und Nachfolger Felix Hinderer (r.) und dem langjährigen Mitarbeiter Günter Haas.
Bernd Wackerbauer 8 Seniorchef Ralf Hinderer (M.) mit seinem Sohn und Nachfolger Felix Hinderer (r.) und dem langjährigen Mitarbeiter Günter Haas.
Blick in die Werkstatt: Der Handwerksbetrieb hat in 15 moderne Maschinen investiert.
Bernd Wackerbauer 8 Blick in die Werkstatt: Der Handwerksbetrieb hat in 15 moderne Maschinen investiert.
Das eindrucksvolle Holzlager der Schreinerei.
Bernd Wackerbauer 8 Das eindrucksvolle Holzlager der Schreinerei.
Meister Theo Würzburger (M.) gründete 1921 die Firma. Hier arbeitet er mit zwei Mitarbeitern am Tor zum Porzia-Palais.
Bernd Wackerbauer 8 Meister Theo Würzburger (M.) gründete 1921 die Firma. Hier arbeitet er mit zwei Mitarbeitern am Tor zum Porzia-Palais.
Das Firmengebäude in Sendling haben die Hinderers mit ihren Mitarbeitern selbst ausgebaut. Nur das Betongerippe errichtete eine andere Firma.
Bernd Wackerbauer 8 Das Firmengebäude in Sendling haben die Hinderers mit ihren Mitarbeitern selbst ausgebaut. Nur das Betongerippe errichtete eine andere Firma.
Patentierter Exportschlager aus frühen Jahren: die "immerglatte Bügelplatte". Eine steht heute noch im Gärtnerplatztheater.
Bernd Wackerbauer 8 Patentierter Exportschlager aus frühen Jahren: die "immerglatte Bügelplatte". Eine steht heute noch im Gärtnerplatztheater.
So sah es an der alten Werkstatt im Glockenbachviertel nach einem Bombenangriff aus.
Archiv 8 So sah es an der alten Werkstatt im Glockenbachviertel nach einem Bombenangriff aus.
Auf über 500 Quadratmetern zeigt der Handwerksbetrieb in Showrooms, was er kann.
© Bernd Wackerbauer 8 Auf über 500 Quadratmetern zeigt der Handwerksbetrieb in Showrooms, was er kann.

München - Herumfliegende Sägespäne, staubige Luft und kreischende Sägen – das verbinden viele mit einer Schreinerwerkstatt, in der gearbeitet wird. Bei Ralf Hinderer (62) und seinem Sohn Felix (36) ist das ganz anders. Der Fußboden ist blitzblank, weit und breit fliegt kein einziger Span herum. Die Luft ist sauber, von der Decke verteilen sich feine Sprühnebel in der riesigen Werkstatt, um für eine gute Luftfeuchtigkeit zu sorgen, erklärt Vater Hinderer.

Der Schreinermeister führt mit seinem Sohn Felix die wohl größte und modernste Schreinerei in München. 45 Mitarbeiter, darunter sechs Auszubildende, beschäftigen sie in ihrem großen, noch neuen Firmengebäude in der Blieskastelstraße in Obersendling.

Seniorchef Ralf Hinderer (M.) mit seinem Sohn und Nachfolger Felix Hinderer (r.) und dem langjährigen Mitarbeiter Günter Haas.
Seniorchef Ralf Hinderer (M.) mit seinem Sohn und Nachfolger Felix Hinderer (r.) und dem langjährigen Mitarbeiter Günter Haas. © Bernd Wackerbauer

Das Kapital des Familienbetriebs sind  neben den spezialisierten Mitarbeitern – hochmoderne Maschinen, 15 Stück stehen in den Hallen. Die wichtigste hat den unromantischen Namen "CNC Bearbeitungszentrum". Sie kann sägen und fräsen und Löcher bohren. Andere Maschinen übernehmen das Umleimen und vieles mehr. Bevor CNC und ihre technischen Kollegen loslegen, wird am PC bis ins kleinste Detail festgelegt, was sie zu tun haben.

Klein und bescheiden: 1921 in einer Hinterhofwerkstatt im Glockenbachviertel begonnen

"Ich habe immer auf Innovation gesetzt", erzählt Ralf Hinderer. Dafür hat er sehr viel investiert bzw. sehr hohe Kredite aufgenommen, "Millionen", sagt der Senior-Chef. Damit konnte er das Überleben des Betriebes retten und er konnte kontinuierlich wachsen, ist sich der 62-Jährige sicher.

Angefangen hatte alles ganz klein und bescheiden 1921 in einer Hinterhofwerkstatt in der Westermühlstraße im Glockenbachviertel. Ein Fotoalbum mit rotem Kunstledereinband, das bis heute in der Firma aufbewahrt wird, erzählt von den Anfängen.

Gegründet hatte die Schreinerei der Münchner Theo Würzburger. In einem Album mit rotem Kunstledereinband bewahrte er Fotos auf von Kirchentüren, die er herstellte und restaurierte, darunter die der Asamkirche. Auch Fotos von Treppenhausgeländern, aufwendigen "Wellenschränken" oder ausgefallenen Betten für Altbauwohnungen sind darin für die Nachwelt aufbewahrt. Würzburger schrieb auch ein dünnes Büchlein (Titel: "Aus dem Leben eines Münchner Schreinermeisters"), in dem er seinen Lebensweg beschrieb. Sich selbst bezeichnet er darin als "Kind der Liebe".

Meister Theo Würzburger (M.) gründete 1921 die Firma. Hier arbeitet er mit zwei Mitarbeitern am Tor zum Porzia-Palais.
Meister Theo Würzburger (M.) gründete 1921 die Firma. Hier arbeitet er mit zwei Mitarbeitern am Tor zum Porzia-Palais. © Bernd Wackerbauer

Würzburgers Mutter war eine königlich-bayerische Beamtentochter und schämte sich für ihren Sohn, da er unehelich geboren war. Sie steckte den kleinen Theo in ein Waisenhaus, erst mit 27 lernte er sie kennen, seinen Vater nie.

Dem Leben gegenüber scheint Theo Würzburger trotzdem sehr positiv eingestellt gewesen zu sein. Auf Fotos ist er lächelnd bei der Arbeit zu sehen, oft mit Dandy-Frisur. "Wer in Liebe zu seinem Handwerk steht, der weiß auch, dass Arbeitsfreude und Anerkennung seines Schaffens mit die schönsten Triebkräfte des Lebens sind", schrieb er als Vorwort in sein Buch. 1934 meldete er eine Erfindung zum Patent an, die zum Exportschlager wurde: eine "immerglatte Bügelplatte" für Schneidereien. "Eine steht heute im Gärtnerplatztheater", erzählt sein Nachfolger Ralf Hinderer.

Holztreppe im Alten Peter ersetzt: "Wir hingen 50 Meter überm Nichts"

Da Theo Würzburger keine Kinder hatte, vermachte er seine Werkstatt 1975 seinen 16 Mitarbeitern. Zwei Jahre später fing Ralf Hinderer dort mit 17 als Lehrling ein. "Wir haben viel furniert", erinnert er sich, vor allem für Kunden in Grünwald. Aber auch in Münchner Kirchen hatten die Schreiner nach wie vor zu tun: Sie bauten neue Beichtstühle für die Asam- und Ludwigskirche, renovierten auch die Eingangsportale.

Hinderer erinnert sich auch an seine Zeit im Alten Peter. Dort half der Lehrling dabei, die kaputte Holztreppe zu ersetzen. 306 Stufen sind es bis oben. "Wir sind damals an einem Tag über 40.000 Stufen gegangen, hoch, runter, hoch, runter", sagt er. Zwischendecken habe es damals noch keine gegeben, nichts für Menschen mit Höhenangst. "Wir hingen 50 Meter überm Nichts", erinnert sich der heutige Chef.

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Die Geschichte mit den vielen Werkstattteilhabern ging nicht lange gut. Nach und nach verabschiedete sich einer nach dem anderen. Wirtschaftlich ging es bergab. 1998 übernahm der frühere Lehrling, der inzwischen Meister war: Ralf Hinderer. Einen einzigen Mitarbeiter hatte er damals. "Damals war's eine Pumuckl-Werkstatt im dritten Hinterhof", erzählt er. "Eigentlich waren wir pleite." Seinem Mitarbeiter musste er kündigen, aber am nächsten Tag stellte er ihn wieder ein.

Langsam aber stetig ging's schließlich bergauf. 1998 kam der Umzug in den Gewerbehof an der Gmunder Straße. Dort, wo einst die Werkstatt war, sind heute Wohnungen. 2014 folgte der große Neubau in der Blieskastelstraße in Obersendling. Die Hinderers wollen bald noch größer werden und erweitern. Zum 102. Jubiläum lädt die Firma am Samstag (11.November 2023) von 11 bis 17 Uhr zum Tag der Offenen Tür ein.


Tag des Schreiners am 11. und 12. November

Ob Küche, Esszimmertisch oder Einbauschrank – in Schreinerwerkstätten gibt's keine Ware vom Fließband, hier wird noch individuell gefertigt. Diese Handwerksbetriebe in und bei München öffnen am Wochenende 11. und 12. November für interessierte Besucher ihre Werkstätten:

  • Schreinerei Würzburger, Blieskastelstr. 10, 81379 München, Sa 11-17 Uhr, Telefon: 089/7807 05 990
  • Schreinerei Holzlöwe, Herterichstr. 44, 81479 München, Sa 11-20 Uhr, Telefon: 089/90150699
  • Holztraum Christine Regler, Eduard-Buchner-Str. 19, 85662 Hohenbrunn, Sa 12-18 Uhr, So 10-17 Uhr, Telefon: 089/85 631118
  • Würmtal-Schreiner Reinnisch, Würmstr. 8, 82166 Gräfelfing, Sa 10-16 Uhr, Telefon: 089/851331
  • Werner Plaschke Möbelwerkstätten, Am Lenzenfleck 6, 85737 Ismaning, So 10-17 Uhr, Telefon: 089/962 098 00
  • Schreinerei Stable, Filzhof 6, 85567 Grafing, Werkstatt geöffnet So 11-16 Uhr, Telefon: 08092/860250
  • Schreinerei/Möbelstudio Baumann, Langwied 5, 85560 Ebersberg, Werkstatt geöffnet: So 11-16 Uhr, Telefon: 08092/23775
  • Schreinerei Steinerstauch, Hauptstr. 22 b, 82140 Olching, Sa/So 14-18 Uhr, Telefon: 08142/ 6526385
  • Schreinerei Vilgertshofer, Am Isarkanal 1, 85464 Neufinsing, Werkstatt geöffnet: Sa,So 10-16 Uhr, Telefon: 08121/79598
  • Schreinerei Wittmann, Feldlerchenstr. 1, 85467 Oberneuching, Sa 10-17 Uhr, So 10-16 Uhr, Telefon: 08123/889555
  • Schreinerei Reim, Gewerbepark 8b, 85646 Anzing, Sa/So 13-17 Uhr, Telefon: 08121/82531
  • Schreinerei Finauer, Högerstr. 42, 85646 Anzing, Sa 9-18 Uhr, Telefon: 08121/3585
  • Schreinerei Reimer, Werkstatt: Hohenbrunner Weg 8, 85630 Grasbrunn, geöffnet: Sa 9-16 Uhr, Telefon: 08106/3970462
  • Schreinerei Albert Singer, Glonntalstr. 9, 85625 Glonn/Haslach, So 13-17 Uhr, Telefon: 08093/3469.
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7 Kommentare
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  • doket am 11.11.2023 19:54 Uhr / Bewertung:

    Ich habe auch einen tollen Schrank von denen. Die Beratung ist klasse und die Ideen fantastisch. Die haben für mich etwas völlig anderes entworfen, als ich eigentlich wollte, aber ich bin immer noch begeistert. Das war und ist jeden Cent wert. Ich wünsche Euch alles Gute für die Zukunft.

  • Sarah-Muc am 11.11.2023 14:43 Uhr / Bewertung:

    Da sieht man es wieder - Volkschulabschluss wurde abgeschafft. Warum ist doch klar,

  • Sarah-Muc am 11.11.2023 14:41 Uhr / Bewertung:

    Meinen herzlichen Glückwunsch und viele weitere sehr gute Jahre.
    Toll dass es Handwerksbetriebe gibt - die aber ergänzt werden durch Akadmiker mit
    ihrer Studiums-Bildung. Zu einer funktionierenden Wirtsschaft gehört eben alles.
    Ich freu mich genauso über Wissenschaftler, Psychologen, Philosophen , Wirtschaftler,
    Mediziner und und und. Was macht denn eine Schreinerei ohne Steuer- und Wirtschaftsberater`?
    Oder ein Schreiner, der sich verletzt hat ohne Doc?
    Nochmal alles gute an die tollen Schreiner!

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