190 Euro im Monat: Davon lebt ein Rentner

Tausende Münchner sind im Alter von Armut betroffen, und es werden immer mehr. Reinhard K. (67) erzählt: Wie er in Finanznot geriet, wie er lebt – ein Schicksalsbericht.
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Reinhard K. und sein Hund "Gipsy" - der einzige "Luxus", den er sich gönnt.
Martha Schlüter Reinhard K. und sein Hund "Gipsy" - der einzige "Luxus", den er sich gönnt.

MÜNCHEN - Tausende Münchner sind im Alter von Armut betroffen, und es werden immer mehr. Reinhard K. (67) erzählt: Wie er in Finanznot geriet, wie er lebt – ein Schicksalsbericht.

Nein, man sieht es ihm nicht an. Niemand würde ahnen, dass Reinhard K. arm ist. Der orangene Schal passt farblich perfekt zum T-Shirt. Ein glitzernder Anhänger in Herzform funkelt an seiner Halskette. Er ist eine gepflegte Erscheinung. Ein feiner Mann. Und doch: Der 67-Jährige hat kaum genug Geld zum Leben. Er muss mit gerade mal 190 Euro im Monat auskommen.

Reinhard K. ist einer von 9800 Grundsicherungs-Empfängern in München – Menschen, die auf staatliche Hilfe angewiesen sind, weil ihre Altersrente einfach nicht reicht. Die Zahl der Betroffenen wird in den nächsten Jahren noch drastisch zunehmen. Die Landeshauptstadt rechnet damit, dass sie sich bis zum Jahr 2020 verdreifachen wird. Immer mehr Menschen steuern auf die Altersarmut zu.

"Ich bin über's Ohr gehauen worden"

Es gab eine Zeit im Leben von Herrn K., da war er richtig wohlhabend. Ein Tausendsassa, der als Hotel- und Finanzkaufmann, als Wirtschaftsberater und auch als Projektleiter bei Lufthansa arbeitete. Dauerstress, mindestens 14 Stunden am Tag. Die meiste Zeit war der umtriebige Mann als Freiberufler tätig. Von Versicherungen hielt er nicht viel. Sein Geld investierte er lieber in Immobilien. „Das ist was Bodenständiges. Was Solides“, dachte er. Weit gefehlt, zumindest in seinem Fall. Denn beim Kauf von drei Objekten in der Brudermühlstraße war Reinhard K. nach eigener Aussage ein Bauschaden verheimlicht worden. Im Block breitete sich Nässe aus. „Ich bin über’s Ohr gehauen worden.“ Unaufhaltsam begann der Abstieg. Ärger mit Mietern. Ärger mit Banken. Der Schuldenberg wuchs. Es kam zur Zwangsversteigerung. Und: Herr K. wurde krank. Burn-Out.

Allein die Medikamente kosten 60 Euro im Monat

Heute beziffert sich seine Rente auf mickrige 295 Euro. Von der Stadt erhält er 545 Euro Wohngeld für sein 32-Quadratmeter-Appartement in Nymphenburg – hinzu kommen noch 71 Euro Grundsicherung im Monat. Das war’s. Doch alleine für Medikamente fallen monatlich rund 60 Euro Kosten an. Reinhard K. leidet an chronischer Bronchitis, an der koronaren Herzkrankheit, an Depressionen. Er gilt als zu 90 Prozent behindert.

Abzüglich aller Fixkosten – etwa für Strom, Telefon, Versicherungen, Heizung und Medikamente – bleiben ihm im Monat nur 190 Euro übrig. Davon muss er seinen kompletten Lebensunterhalt bestreiten. 190 Euro für Essen, für Kleidung und alle Haushalts-Ausgaben. Wie macht man das – mit so wenig auskommen? „Ich habe mich angepasst“, erklärt Reinhard K. „Ich habe die Kilopreise im Kopf. Ich trinke Münchner Wasser. Und kaufe Sonderangebote.“ Er kocht vor und friert ein. Trotz aller Beschränkungen: „Am Monatsende bleibt so gut wie nichts übrig.“

Ein neuer Radl-Reifen - für den Rentner eine Großinvestition

Außerplanmäßige Investitionen sind in seinem Haushaltsplan schlicht nicht vorgesehen. „Man überlegt sich gut, ob man einen neuen Fahrradreifen für 21 Euro kauft!“ Oder ob es neue Schuhe sein dürfen – die alten seien teils schon 20 Jahre alt, erzählt der 67-Jährige. Der einzige „Luxus“, den er sich leistet, ist „Prinzessin Gipsy von Budapest“ – seine Hündin.

Julia Lenders

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