17-Jährige fällt ins Wachkoma
MÜNCHEN - Manchmal geht es vor Gericht um seltsame Fragen. Etwa diese: Kann man aus der Lektüre von „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo” lernen, wie man sich Heroin spritzt?
Karl P. (31, Name geändert) ist fest davon überzeugt. An die Adresse seiner Richter schickt er die Botschaft: „Wenn Sie meinen, dass das nicht geht, dann haben Sie das Buch nicht richtig gelesen.”
Seine Ex-Verlobte Petra F. (Name geändert) sei jedenfalls von dem Buch der ehemals drogenabhängigen Christiane F. fasziniert gewesen. Die Schülerin hatte sich dann in der Neuöttinger Wohnung von Karl P. eine Spritze Heroin gesetzt – und fiel danach in ein Wachkoma. Ob sie mit ihren 17 Jahren dabei eigenverantwortlich gehandelt hat oder ob ihren Freund die (Mit-)Schuld an ihrem Zustand trifft, klärt nun das Oberlandesgericht (AZ berichtete).
P. sieht sich hohen Schmerzensgeldforderungen der Familie ausgesetzt. Der schmächtige alkohol- und medikamentensüchtige Hartz-IV-Empfänger mit den langen Haaren soll eine halbe Million Euro zahlen, weil seine Freundin nach der Heroinspritze vom 20. März 2008 schwerste Hirnschädigungen erlitt und nicht mehr aufgewacht ist. „Ihr Zustand ist unverändert”, berichtet ihr Anwalt Anton Fitz.
Karl P. – frisch aus der jüngsten Entgiftung im Gerichtssaal angekommen – schilderte das Geschehen aus seiner Sicht. Seine Freundin habe bereits Drogenerfahrungen gehabt, etwa mit ihrer Schwester Haschisch geraucht. „Da war ich dagegen”, sagt er vor Gericht.
Gemeinsam habe man zuvor auch Heroin, das er besorgt hatte, geschnupft. Wegen dreier Fälle der unerlaubten Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige war P. bereits zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden.
An dem Abend habe er ihr lediglich geholfen und den Arm abgedrückt, als sie keine Ader fand. Dann verschlechterte sich ihr Zustand: „Sie war nur noch lauwarm und atmete kaum.” P. versuchte, sie wiederzubeleben. Erst nach zwanzig Minuten alarmierte er die Rettungskräfte. „Warum nicht sofort?”, will Richter Wilhelm Schneider wissen. P. sagt: „Ich dachte, ich krieg’ sie alleine zurück.” Er selbst habe weiter Heroin genommen, sagt P. „Trotz des Vorfalls?” – „Gerade deswegen. Um zu vergessen.” Der Prozess wird fortgesetzt.
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