1500 Münchner im Winter ohne Heizung?

München - Noch sind die Temperaturen mild. Aber irgendwann kommt er: der Frost. Mit Minusgraden, die die Münchner im Freien vor Kälte schlottern lassen. Und einige auch drinnen, in ihren Wohnungen. Dann etwa, wenn sie sich Heizung und Strom nicht mehr leisten können, weil das Geld auch ohne die monatlichen Nebenkosten kaum zum (Über-)Leben reicht.
Wie viele Münchner Familien massiv im Zahlungsverzug sind, wollen die Stadtwerke München (SWM) „aus Wettbewerbsgründen“ nicht sagen. Aber Verbraucherschützer schätzen: Jeder zehnte Münchner Haushalt hat Probleme, seine Strom- oder Gasrechnung pünktlich zu bezahlen.
CSU-Stadtrat Marian Offman, der sich seit Jahren mit Beschwerden von Stadtwerke-Kunden beschäftigt, wagt eine präzisere Schätzung: „Ich denke, dass etwa 1500 Münchner Familien den Winter ohne Heizung, Strom und warmes Wasser überstehen müssen, weil die Stadtwerke nach der zweiten Mahnung den Hahn zudrehen.“
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Unmenschlich findet er das. „Wir können doch in unserer Stadt keine Leute frieren lassen, die es sowieso schon schwer haben und jeden Cent mehrfach umdrehen müssen.“
Der SWM-Weihnachtsfrieden
Zwischen Mitte Dezember und Mitte Januar herrscht laut Auskunft von SWM-Sprecher Christian Miehling bereits jetzt ein sogenannter „Weihnachtsfrieden“, während dem die Stadtwerke auf Sperrungen verzichten. Auch „in Härtefällen“ werde in Absprache mit Sozialreferat und den Wohlfahrtsverbänden nicht gesperrt. „Die SWM sind immer um Einzelfalllösungen bemüht und bieten auch Ratenzahlungen an“, so Mieling.
Offman reicht das aber nicht aus: Er will den Werken jetzt per Stadtratsbeschluss das Strom- und Gassperren für den ganzen Winter verbieten lassen: von 1. Dezember bis 15. März des Folgejahrs.
„Oft ist es keine böse Absicht, wenn Rechnungen noch offen sind. Wir sollten für diese Menschen in unserer reichen Stadt eine Möglichkeit finden, dass nicht gerade dann, wenn die Witterung am extremsten ist, Strom- und Gas gesperrt werden“, erklärt er in seinem Stadtratsantrag.
Raten und Stiftungsgelder
Nur wer soll dann die anfallenden Rechnungen bezahlen? „Wir sollten den Betroffenen eine Ratenzahlung ermöglichen“, schlägt Offman vor, „alternativ könnte der Betrag auch einvernehmlich mit dem Sozialreferat über Stiftungsgelder ausgeglichen werden“. Wohlfahrtsträger und das Sozialreferat sollen außerdem Energieberater einschalten, die den betroffenen Familien beim Strom- oder Heizungsparen helfen.
Nach jüngsten Statistiken, so erklärt Offman in seiner Begründung, sind im vergangenen Winter in 45 890 Haushalten das Gas und in 344 798 Haushalten der Strom abgestellt worden. „Das kann gerade für ältere Menschen eine Gefahr für Leib und Leben zur Folge haben – auch weil sie oft aus Scham nicht auf die Energiesperren reagieren.“
In Frankreich gilt seit Februar ein Gesetz, das Energiesperren im Winter verbietet. Auch in England gibt es bei kalter Witterung Unterstützungszahlungen für finanziell schwache Haushalte. Offman: „Für wohnungslose Menschen haben wir mit unseren Kälteschutzeinrichtungen vorgesorgt. Jetzt sollten wir auch einen Weg finden, dass niemand daheim mangels Heizung Schaden nimmt.“