150 Jahre Münchner Ostbahnhof: Abfahrt ins neue Zeitalter

Der Bau des Ostbahnhofs hat den Stadtrand verändert. 150 Jahre ist es her, als die Moderne nach Haidhausen kam. Eine Zeitreise.
Lea Kramer |
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Adrett, stramm - nur das Zamperl vorne rechts mag nicht recht posieren für die Aufnahme vor dem neuen Ostbahnhof und der Pferdetram in den 1870er Jahren.
Adrett, stramm - nur das Zamperl vorne rechts mag nicht recht posieren für die Aufnahme vor dem neuen Ostbahnhof und der Pferdetram in den 1870er Jahren. © Stadtarchiv München

München - Es ist kurz vor elf Uhr abends, der Pfingstmontag des Jahres 1926 ist fast vorbei. Da kracht es plötzlich in Haidhausen. Ein einfahrender Zug aus Rosenheim ist auf eine wartende Bahn am Ostbahnhof aufgefahren.

Erst am Tag nach dem Unfall zeigt sich das Ausmaß der Tragödie: Mehrere Waggons sind ineinandergeschoben. 27 Menschen sterben bei dem Unfall, 95 werden verletzt. "Es waren Minuten des Grauens", berichtet ein Augenzeuge einen Tag später der Lokalpresse.

Gaffen Anfang des 20. Jahrhunderts: Das Zugunglück 1926 zieht viele Schaulustige an.
Gaffen Anfang des 20. Jahrhunderts: Das Zugunglück 1926 zieht viele Schaulustige an. © Haidhausen Museum

Ausstellung zu 150 Jahre Ostbahnhof im Haidhausen-Museum

Schon vor dem Zugunglück wurde in der Stadt über die Infrastruktur diskutiert, denn der Bahnhof München-Ost war überlastet. Der 150-jährigen Geschichte des Bahnhofsviertels im Osten widmet das Haidhausen-Museum derzeit eine Ausstellung.

"Durch die neue Technik waren Katastrophen auf einmal dramatischer. Das Zugunglück ist einer dieser modernen Massenunfälle", sagt Hermann Wilhelm, Leiter des Museums in der Kirchenstraße.

Begleitend zu der Schau hat er ein Buch geschrieben, das die Entstehung des Franzosenviertels vom Acker zum Stadterweiterungsgebiet nach französischem Vorbild nachzeichnet.

Zwischen 1871 und 1905 sollte rund um den neuen Bahnhof im Osten der Stadt ein Quartier entstehen, um Wohnraum für immer mehr Zuzügler zu schaffen. Die Industrie rund um den Bahnhof zog überwiegend wenig ausgebildete Menschen an, die Arbeit im Niedriglohnsektor fanden. Mit einst 6.107 Bewohnern wächst Haidhausen rasant innerhalb von 40 Jahren auf 46.000 Einwohner an.

Haidhausen: Ruf als Glasscherbenviertel

Die Wohnungen zwischen Rosenheimer Platz und Orleansplatz waren verhältnismäßig groß. Um Leerstände zu vermeiden, wurden sie an gleich mehrere Familien vermietet. Diese lebten dort lange Zeit unter prekären Verhältnissen - teils ohne Anschluss an die Kanalisation. Das brachte dem Quartier noch bis in die 1970er Jahre den Ruf als Glasscherbenviertel ein.

Die Postwiese in den 1930ern - Münchens größter Kinderspielplatz, schrieb einst AZ-Autor Sigi Sommer über das Planschbecken.
Die Postwiese in den 1930ern - Münchens größter Kinderspielplatz, schrieb einst AZ-Autor Sigi Sommer über das Planschbecken. © Haidhausen Museum

Heute ist das freilich anders und Haidhausen eine der beliebtesten Münchner Wohnlagen. Das liegt auch an der guten Anbindung an den Nah- und Fernverkehr, der mit der Eröffnung der Strecken nach Rosenheim und Simbach im Jahr 1871 aufgegleist wurde. Schon seit Anfang der 1840er Jahre verband eine Bahnlinie München mit Augsburg.

Der Ausbau von Bayerns Bahnnetz ging rasch voran. Bessere Verbindungen nach Österreich legten einen Bahnhof im Münchner Osten nahe. 1868 begannen schließlich die Bauarbeiten in Haidhausen, das erst seit zehn Jahren Teil der Landeshauptstadt war.

Am 15. März 1871 wurde die Station Haidhausen - mitsamt dem repräsentativen Empfangsgebäude von Friedrich Bürklein - offiziell eröffnet. Über die Gürtelbahn im Münchner Süden war sie mit dem Hauptbahnhof verbunden.

Um 1900 wollen Tausende am Wochenende ins Isartal

Zunächst war rund um den Ostbahnhof nicht viel los. Das Quartier ist unter dem Eindruck des kurz zuvor beendeten Deutsch-Französischen Kriegs auf dem Reißbrett entstanden, weshalb viele der Straßen die Namen von Schlachtorten tragen.

Initiiert hatte es der königlich-bayerische Hofbankier Carl von Eichthal. Der Kämmerer und Unternehmer gründete die Bayerische Vereinsbank und finanzierte mit anderen Geldgebern den Bau der Bayerischen Ostbahn.

Die Gewinne der weit verzweigten Unternehmerfamilie, mit unter anderem Anteilen an Waffenfirmen, investierte das Ehepaar von Eichthal in Immobilien - unter anderem am Gärtnerplatz und im Franzosenviertel. Geplant hat die Mietshäuser der städtische Oberbaurat Arnold Zenetti.

Aufbrezelt: Ein Paar wird in den 40ern in die Flitterwochen verabschiedet.
Aufbrezelt: Ein Paar wird in den 40ern in die Flitterwochen verabschiedet. © Haidhausen Museum

Um die Jahrhundertwende waren die Münchner Bahnen bei Ausflüglern beliebt. 1,2 Millionen Fahrgäste fuhren nach Angaben der Deutschen Bahn 1900 an den Wochenenden ins Isartal zur Erholung.

Während die Triebzüge an anderer Stelle schon elektrifiziert waren, dampften die Loks in Haidhausen gewaltig. 1927, ein Jahr nach dem Zugunglück, wurden die ersten elektrifiziert.

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