1200 Euro Strafe für Radl-Unfall

Weil er eine Radfahrerin im toten Winkel übersah, steht ein 57-jähriger Lkw-Fahrer wegen Körperverletzung vor Gericht.
von  th, Rudolf Huber
Vor Gericht weil er eine Radfahrerin im toten Winkel übersehen hatte: Lkw-Fahrer Erhardt F.
Vor Gericht weil er eine Radfahrerin im toten Winkel übersehen hatte: Lkw-Fahrer Erhardt F.

München - Archivarin Katharina M. (27) kann sich an den Unfall selber nicht mehr erinnern: „Ich war bewusstlos und bin erst im Krankenhaus wieder aufgewacht.” Die junge Frau war am 18. August 2009, gegen 9.50 Uhr, mit ihrem Fahrrad unterwegs. An der Ecke Ungerer-/Schenkendorfstraße wollte sie bei Grün über die Kreuzung, wurde dabei von einem abbiegenden 40-Tonner erfasst, sechs Meter mitgeschleift und schwer verletzt. „Ich lag eine Woche im Krankenhaus, hatte Knochenbrüche, Kopfplatzwunden, weil ich keinen Helm auf hatte. Heute würde ich nie mehr ohne Helm aufs Rad steigen”, sagte Katharina M.

Kraftfahrer Erhardt F. (57) stand jetzt wegen fahrlässiger Körperverletzung vor dem Münchner Amtsgericht. „Es tut mir leid. Ich habe die Frau nicht gesehen. Sie war im toten Winkel”, sagte der Angeklagte.

Erhardt F. hatte damals Aushub von München nach Erding transportiert, war auf dem Rückweg zur Baustelle. An der Ampel hielt er zunächst an. Als sie auf Grün sprang, habe er sich vorsichtig in die Kurve getastet. „Ich musste abbremsen, weil eine Frau mit Kinderwagen über die Straße wollte. Dann bin ich langsam weiter.”

Sein Kollege Fred S. (60), der mit seinem Laster genau hinter ihm war, sagte im Zeugenstand: „Die Radfahrerin ist ziemlich forsch auf die Kreuzung zu, sie dachte wohl, das schaffe ich schon. Ich habe ja schließlich grün. Sie hatte den Lkw ja gesehen und hätte nicht auf ihrer Vorfahrt bestehen müssen.”

Dekra-Gutachter Dieter B. (51) kam zu dem Ergebnis, dass die Rückspiegel nicht korrekt eingestellt gewesen waren: „Sonst hätte er die Radfahrerin gesehen.” Verteidiger Kurt Oberlies schlug vor, das Verfahren gegen eine Zahlung von 500 Euro an Katharina M. einzustellen.

Richterin Ute Bade sagte zum Angeklagten: „Sie können unendlich dankbar sein, dass Sie nicht wegen fahrlässiger Tötung hier sitzen.” Urteil: 1200 Euro Strafe. 

 

Tod im toten Winkel

 

Zwei Mädchen sind gestorben: Lastwagenfahrer haben sie übersehen und überfahren. Die AZ erklärt, warum die Sicht für Lkw-Lenker so eingeschränkt ist – und wie man sich schützt.

Zwei Mädchen starben in dieser Woche, weil sie von Lkw-Fahrern übersehen wurden. Die sechsjährige Daria aus Tutzing wurde beim Überqueren einer Straße überrollt. Die 14-jährige Johanna aus Dachau geriet mit ihrem Radl unter einen Kieslaster – vermutlich befand auch sie sich an einer Kreuzung im toten Winkel des Lasters.

Zwei schreckliche Unfälle, die auf brutale Weise wieder die Gefahren für Radler und Fußgänger im Straßenverkehr ins Bewusstsein rufen. Trotz aller technischer Raffinessen wie Rückfahr-Kameras und trotz bis zu fünf Rückspiegeln an der Fahrerkabine neuerer Lastwagen: Der tote Winkel lässt sich zwar deutlich verkleinern. Aber nicht völlig beseitigen. Berechnungen der Bundesanstalt für Straßenwesen (BAST) haben ergeben, dass der „normale“ tote Winkel bei Lastwagen das Sichtfeld um rund 38 Prozent verkleinert.

Beim Einsatz des „Blind Spot Mirrors“ namens Dolbi sind es immer noch vier Prozent. Auch hier können tödliche Gefahren lauern. Nach Schätzungen der Deutschen Verkehrswacht kommen pro Jahr in Deutschland mindestens 140 Menschen ums Leben, weil sie im entscheidenden Moment für den Pkw- oder Lkw-Fahrer unsichtbar bleiben. Was also können die schwächsten Verkehrsteilnehmer tun?

 

„Sie sollten besonders aufmerksam sein, wenn ein neben Ihnen fahrendes Fahrzeug nach rechts abbiegen will“, rät die BAST.

Erhöhte Aufmerksamkeit ist aber auch nötig, wenn das Fahrzeug nicht blinkt – der Fahrer kann trotzdem rechts fahren.

Sicher ist sicher: Lieber hinter Lkws stehen bleiben, nicht rechts vorbei fahren.

Blickkontakt mit dem Fahrer suchen – nur wenn Sie ihn sehen, kann er Sie auch sehen. Im Zweifelsfall lieber aufs Vorfahrtsrecht verzichten.

Und diese Tipps sollten Lkw- und Pkw-Fahrer beachten:
Beim Abbiegen kann ein zweiter und dritter Blick zurück einen Unfall verhindern.

Vor dem Spurwechsel immer auch über die Schulter schauen.

Besondere Vorsicht ist bei Kindern geboten.


 

 

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