12 000 Flüchtlinge am Hauptbahnhof: München hilft

Im Stundentakt kommen am Wochenende Flüchtlinge in München an. Münchner helfen engagiert, die Stadt organisiert Notunterkünfte.
von  Sophie Anfang
Ein Helfer mit gelber Weste begrüßt einen Flüchtlings-Papa und dessen Kind.
Ein Helfer mit gelber Weste begrüßt einen Flüchtlings-Papa und dessen Kind. © dpa

München - Sie haben die Hölle hinter sich, Krieg, Verzweiflung, schlaflose Nächte, die Strapazen der Flucht. Als die Männer, Frauen und Kinder am Hauptbahnhof aus den Zügen steigen, lächeln sie ein erschöpftes Lächeln. Nachdem die Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan oder Pakistan tagelang in Budapest am Bahnhof festgehalten worden waren, ließ die ungarische Regierung Tausende Flüchtlinge am Wochenende nach Westen ziehen. 12 000 strandeten in München. Statt angesichts dieser großen Zahl in Panik zu verfallen, reagierte die Stadt prompt, effizient – und mit viel Herz.

Verrostete Räder, Taubendreck, vor kurzem hätte niemand glauben können, dass der unfreundlich wirkende Starnberger Bahnhof ein Ort ist, an dem sich München von seiner besten Seite zeigt: „Willkommen in München“ steht bunt auf großen Papieren gemalt, auf Deutsch, Englisch oder Arabisch.

Kurz vor der Wartehalle haben Helfer ein Zelt aufgestellt, dort gibt es Nahrungsmittel und Kleidung. Auf dem Vorplatz stehen weitere Zelte, in denen gut ein Dutzend Ärzte die Flüchtlinge untersuchen.

Die Polizei hat Bereiche des Bahnhofs abgesperrt, an den Gittern scharen sich viele Münchner, die ihre Hilfe anbieten oder einfach nur die Flüchtlinge mit Applaus begrüßen, wenn sie aus dem Zug steigen.

München leuchtet – im Rathaus brennt’s

Am Samstagmittag war der erste Sonderzug aus Österreich eingetroffen. Nachmittags ging es dann Schlag auf Schlag im Zwei-Stunden-Takt. Allein am Samstag waren es 25 Züge mit 6780 Asylbewerbern. Sonntag wurden 4000 weitere erwartet.

Am Bahnhof müssen sie nicht lange bleiben. Gleich bei ihrer Ankunft stehen S-Bahnen bereit, die sie in einen Wartesaal umfunktionierte Bahnhalle an der Richelstraße bringen. 600 Menschen werden dort kurzfristig für ein paar Stunden untergebracht. Andere kommen in zwei Hallen der Messe Riem, können sich dort waschen und schlafen. Eine Tennishalle in Grasbrunn gibt 700 Menschen ein provisorisches Dach überm Kopf, auch die Turnhalle am Luisengymnasium wird bereitgemacht.

Nicht alle Flüchtlinge bleiben in München: Rund 3300 werden am Samstag in andere Regierungsbezirke oder Bundesländer weitergeleitet. Teilweise fahren die Züge gar nicht mehr den Hauptbahnhof an, sondern werden über den Ostbahnhof umgeleitet. Dort steigen die Geflüchteten in Busse und Züge um. Zielorte sind Saalfeld in Thüringen, Dortmund, oder Frankfurt. Am Sonntag kommen Braunschweig oder Ingelheim in Rheinland-Pfalz dazu.

Die Weiterleitung am Wochenende zu organisieren, sei nicht ganz einfach gewesen, sagt OB Dieter Reiter – aber trotzdem wichtig: „Wir ziehen alle an einem Strang, aber ich mache auch deutlich, dass es wichtig ist, die Solidarität anderer Bundesländer einzufordern.“

OB Reiter fordert "uneingeschränkte Solidarität aller Bundesländer"

Wann München an seine Aufnahmegrenze gerate, das sei für ihn aber eine Frage, die er sich gar nicht stellt. Immerhin hätte man vor einer Woche noch gedacht, dass Tausend Flüchtlinge am Tag nicht zu schaffen seien. Jetzt kommen weit mehr pro Tag und: München packt einfach an. Reiter: „Ich finde das sensationell, wie unproblematisch hier staatlichen Stellen und Ehrenamtliche zusammenarbeiten.“

Colin Turner (35), Sprecher der ehrenamtlichen Helfer, sieht das auch so. Er hofft aber, dass es nicht nur bei der netten Begrüßung bleibt: „Das Willkommen darf nicht an der Glastür des Bahnhofs aufhören“, sagt er. Um die 90 Menschen sind am Bahnhof, aber auch an anderen Aufnahmezentren täglich im Einsatz. In gelben Westen huschen die Helfer zwischen den Flüchtlingen herum, verteilen Wasser, geben Zuspruch, beantworten Fragen. Wie es mit den Geflüchteten dann weitergeht, könnten die Ehrenamtlichen nicht beeinflussen, sagt Turner: „Da kommt es dann darauf an, was die Politik draus macht.“

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