113.000 Euro weg - jetzt stehen zwei Kitas vor dem Aus

„Lucky Children“ droht das Aus. Der Chef hat Strafanzeige erstattet – und musste einen Insolvenzantrag stellen. 19 Mitarbeiter und 46 Kinder sind betroffen.
München - Es ist der 19. Mai 2015. Antonio-Bertram Martin klappt seinen Laptop auf. Fassungslos starrt er auf das Display. Er klappt das Gerät wieder zu. Dann wieder auf. Die Anzeige bleibt gleich. Martin hat richtig gesehen: Auf dem Konto, das er gerade checken wollte, fehlen 113.000 Euro.
Martin ist Geschäftsführer bei „Lucky Children“. Er betreibt zwei private Kitas in Neuhausen und Thalkirchen. Von dem Geld auf dem Konto hätten eigentlich 19 Mitarbeiter ihren Lohn bekommen sollen. Das ist jetzt unmöglich geworden.
Was ist passiert? Wohin können 113.000 Euro verschwinden? Ein Anruf bei der Commerzbank klärt auf: Einer der Gesellschafter von Lucky Children hat das Geld in bar abgehoben. Der Bankangestellte stellte das nicht in Frage – immerhin hatte der Herr eine Kontovollmacht.
Sofort erstattet Martin Strafanzeige. „Die 113 000 Euro sind städtische Fördergelder“, sagt er. Ob es sich bei der Auszahlung um eine Veruntreuung handelt, ist aber rechtlich noch nicht klar. Das Verfahren läuft. Bis dahin bleibt das Geld futsch.
Kein Geld für Betreuer, Essen und Windeln
Lucky Children ist nicht das, was man als eine Luxus-Kita nennen würde. Man arbeitet nach dem Münchner Fördermodell für Kindertagesstätten. Das Unternehmen finanziert sich zu 70 Prozent über Fördergelder. Die Kita-Kosten richten sich nach Einkommen der Eltern. Haben die zum Beispiel weniger als 15.000 Euro Jahreseinkommen, ist es kostenlos, den Nachwuchs in die Tagesstätte zu schicken.
Der Knackpunkt der Finanz-Probleme von Lucky Children sind die quartalsmäßigen Zahlungen der Fördergelder. Kurz bevor der Riesen-Betrag verschwand, hatte man die zweite Zahlung in diesem Jahr bekommen. Die nächste Überweisung steht erst wieder am 15. August an. Bis dahin ist Lucky Children nicht liquide, muss aber Löhne für 19 Mitarbeiter zahlen und außerdem Essen und Windeln für 46 Kinder besorgen.
Es blieb nur die Insolvenz für die zwei Standorte. Das Verfahren wird am 1. August eröffnet. Bis dahin hängen die beiden Kitas in der Schwebe. Ob es weitergeht? Ungewiss. Mitarbeiter und Eltern sind fassungslos. Und der dubiose Gesellschafter? Der Abendzeitung liegt sein Name vor. Auf Nachfrage möchte er aber keinen Kommentar dazu abgeben.
Crowdfunding als letzte Rettung?
Zwei Elternabende und viele Mitarbeitergespräche später ist klar: Man möchte nicht untätig herumsitzen und das Insolvenzverfahren abwarten. Die Stimme des sonst so ruhigen Geschäftsführer Martin wird fester, als er sagt: „Wir ergeben uns nicht diesem Schicksal. Wir wollen da selbst wieder herauskommen“.
Geld muss her. Seine Lösung: Crowdfunding – Hilfe durch viele private Unterstützer. Auf www.kitainnot.de bittet das Unternehmen jetzt um Schenkungen. „Schenkungen, keine Spenden“, erklärt Martin. Denn Lucky Children ist nicht gemeinnützig. Wer dem Unternehmen Geld gibt, kann es nicht von der Steuer absetzen. Martin setzt auf Mini-Beiträge: „Fünf Euro machen uns schon glücklich.“
Die Hoffnung auf eine faire Chance
Dass solche Ideen in München funktionieren können, zeigt etwa das Beispiel Giesinger Brauerei. Das Unternehmen stand zwar nicht vor der Pleite, schaffte es aber, sich durch Unterstützer aus dem Netz deutlich zu vergrößern.
Ähnlich soll es auch in den zwei Kitas klappen. Als das Crowdfunding-Konzept auf einer Mitarbeiterversammlung vorgestellt worden ist, konnten die Angestellten wenigstens ein bisschen aufatmen. Die Flucht nach vorn. Das ist besser als nichts.
Auf der Kampagnen-Homepage heißt es: „Wir sind unverschuldet in Not geraten.“ Und weiter, dass man um eine faire Chance bittet, „im Insolvenzverfahren nicht abgewickelt zu werden“.
Ob die einzigartige Netz-Kampagne Erfolg hat, ist noch unsicher. Klar ist aber, dass es wohl nicht ausreichen wird, die fehlenden 113 000 Euro auszugleichen. Anwälte wollen schließlich bezahlt werden. Martin rechnet mit 150 000 Euro Kosten. „Und da ist der Image-Schaden noch nicht eingerechnet.“