1,10 Euro für ein Glas Leitungswasser

MÜNCHEN - Als „naturbelassenes Spitzenprodukt“ rühmen die Stadtwerke das Münchner Trinkwasser, als „eines der besten“ in Europa. Und so ein „Spitzenprodukt“ hat seinen Preis – das finden immer mehr Münchner Wirte. Sie lassen sich das Leitungswasser, mit dem unsere Stadt aus dem Mangfall- und Loisachtal sowie der Schotterebene versorgt wird, von ihren Gästen bezahlen. Zum Beispiel im Ratskeller. Dort steht es unter dem klangvollen Namen „Loisacher“ auf der Getränkekarte.
Ein Angebot, das nicht bei jedem auf Verständnis stößt. Gerd S., ein hessischer Gast, beschwert sich über die 1,10 Euro für Leitungswasser, die auf der Ratskeller-Karte erscheinen. Da 1000 Liter Leitungswasser gerade einmal 1,58 Euro kosten, müsse die Gewinnspanne fast schon sittenwidrig hoch sein, klagt S. Die AZ fragte nach. Warum ist das Wasser im Ratskeller nicht wie in anderen Gaststätten umsonst?
Wirt Peter Weiser: „Das Wasser haben wir vor drei Jahren auf die Karte genommen. Damals gab es geradezu eine Epidemie von Gästen, die nur Leitungswasser bestellten.“ Da aber auch das Mineralwasser ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für den Ratskeller sei und den günstigen Preis für den Wein mitsubventioniere, richtete man eine Schankanlage ein, durch die das Wasser läuft, im Bedarfsfall mit Kohlensäure versetzt wird und dann auf der Rechnung auftaucht, so Weiser. Auch davor wurde im Ratskeller ein Entgelt für Wasser erhoben. Aber: „Da hatte ich jeden Tag Gäste, die sich darüber beschwerten, dass das Wasser etwas kostet.“ Kein erstrebenswerter Zustand für einen Wirt.
Inzwischen fährt man dort aber wohl sehr gut mit dem „Loisacher“ auf der Karte. Der Mineralwasserkonsum habe wieder angezogen. Und Streitgespräche mit Gästen seien auch deutlich weniger geworden, freut sich Peter Wieser.
Auch in der Wirtschaft „Zum Franziskaner“ in der edlen Residenzstraße steht „Münchner Tafelwasser“ auf der Karte. 2,10 Euro kostet ein kleines Glas aufgesprudeltes Leitungswasser. Für einen halben Liter müssen Gäste 3,20 Euro bezahlen. „Da gibt es keine Beschwerden“, versichert ein Mitarbeiter der AZ. Und wenn jemand um ein Glas stilles Wasser bitte, zum Beispiel für ein Kleinkind oder weil der Gast seine Medikamente einnehmen müsse, dann werde das im Franziskaner auch nicht berechnet.
Dass das Münchner Tafelwasser zu den „besten in ganz Europa“ zählt, steht übrigens wortwörtlich auch auf der Speisekarte des bayerisch-japanischen Wirtshauses Nomiya in Haidhausen. Gleich neben dem Preis, der bei einem Liter Gesprudeltem mit 4,30 Euro angegeben wird. Ist das alles nun eine angemessene Aufwandsentschädigung – oder doch eher Abzocke?
Frank-Ulrich John vom Bayerischen Hotel- und Gaststättenverband kann nichts Verwerfliches daran erkennen, für Leitungswasser Geld zu nehmen. Auch wenn einige Cafés Gratis-Wasser zum Kaffee servieren: Die Praxis des kostenpflichtigen Leitungswassers hätten viele Gaststätten inzwischen aufgenommen. John: „Der Gast bezahlt dabei nicht das Wasser, sondern die Dienstleistung.“ Gläser müssten gespült, das Ambiente des Gasthauses gepflegt werden. „Wenn das Wasser nicht abgerechnet wird, muss der Gastwirt die Kosten auf andere Getränke oder das Essen umschlagen“, erklärt John. Bezahlen muss man also in jedem Fall. Na dann: Prost!